Seitenblick: Bauernverband fordert Tötung von bis zu 70 Prozent aller Wildschweine – Wolfsmonitor

Seitenblick: Bauernverband fordert Tötung von bis zu 70 Prozent aller Wildschweine

Funktionäre des Deutschen Bauernverbands befürchten, dass die Afrikanische Schweinepest (ASP), die sich bereits seit einigen Jahren über Russland, das Baltikum und Polen in Richtung Westeuropa ausbreitet, demnächst nach Deutschland kommt und empfehlen deshalb nicht nur, bis zu 70 Prozent aller Wildschweine in Deutschland präventiv zu töten, sondern Jägern darüber hinaus sogar Abschussprämien zu zahlen.

Hintergrund: Sollte auch nur ein Fall bekannt werden, in dem diese für Schweine absolut tödliche, für Menschen jedoch völlig ungefährliche Tierseuche in Deutschland Fuß fasst (sie ist nur noch etwa 300 Kilometer von Deutschland entfernt), hätte das für den gesamten lanswirtschaftlichen Schweinemarkt verheerende Folgen: Er würde zusammenbrechen, denn ganze Regionen würden unter Quarantäne gestellt. Fachleute befürchten Folgeschäden in Milliardenhöhe.

Auch Niedersachsens Landwirtschaftsministerin Barbara Otte-Kinast (CDU) scheint den Ausbruch der Afrikanischen Schweinepest in nicht allzu ferner Zeit zu befürchten und will deshalb laut NDR 3,5 Millionen Euro bereitstellen, um eine mögliche Ausbreitung der Seuche zu verhindern. Die Summe sei bereits im Nachtragshaushalt eingestellt, um in erster Linie die Verringerung der Wildschweinbestände durch eine stärkere Bejagung zu erreichen. (*1)

Genau diesen Schritt jedoch kritisieren Wissenschaftler und Naturschutzverbände, so beispielsweise auch im Wissenschaftsmagazin Spektrum:

Der geforderte Massenabschuss sei kontraproduktiv, selbst wenn er vielleicht lokal die Seuche eindämmen könnte, so ein Experte. Der Abschuss zerstöre die Sozialstruktur von Rotten, wäre in diesem Umfang zudem kaum waidgerecht und würde dadurch die vorhandene Ablehnung der Jagd in Teilen der Bevölkerung noch massiv verstärken.

Und er würde kaum den gewünschten Effekt erzielen, denn die Tiere glichen Verluste einfach durch höhere Geburtenraten wieder aus. Die Forderung des Bauernverbands lenke deshalb von den eigentlichen Problemen ab und offenbare – wie seinerzeit schon bei der Vogelgrippe – nur einen „billigen Sündenbock“.

Vor allem die sich rasant entlang wichtiger Fernverbindungen in Osteuropa ausbreitende Seuche zeige, dass das Problem von Menschen gemacht sei, denn immer noch würden jedes Jahr Millionen Ferkel und Schlachtschweine quer durch die Bundesrepublik und über ihre Grenzen transportiert.

Jeder dieser Transporte sei ein potenzielles Risiko, vor allem wenn er aus Osteuropa käme. Der Fehler liege demnach im System der Landwirtschaftspolitik und nicht in der Natur. (*2)


Jäger mögliche Verursacher der Ausbreitung von der ASP?

Der Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND) in Ostwestfalen kritisiert ebenfalls eine geplante Wildschweinjagd, mit der einer Ausbreitung der Afrikanischen Schweinepest entgegengewirkt werden soll.

Erfahrungen der vergangenen Jahre hätten gezeigt, so der BUND, dass die „rücksichtslose Bejagung“ von Wildschweinen keinen Populationsrückgang nach sich zieht, weil durch den Abschuss der Leitbachen die Fortpflanzungsregularien der Rotte gestört würden und die Vermehrung sich unkontrolliert vervielfache. Es stelle sich daher die Frage, ob diese Jagden nicht aus Steuergeldern finanzierter purer Aktionismus seien.

Die Tierschützer sehen nicht zuletzt die Jäger selbst als mögliche Verursacher der Ausbreitung der Schweinepest. Vor allem der Jagdtourismus brächte ein erhöhtes Risiko mit sich.

Kleidung und Ausrüstung nach jedem Jagdausflug so zu desinfizieren, dass eine Weiterverbreitung der Viren ausgeschlossen ist, scheine illusorisch. Deshalb müsste der Jagdtourismus in die von ASP betroffenen Länder für die Dauer des Seuchenzuges nach Meinung des Vereins durch behördliche Anordnungen ausgesetzt werden. (*3)

Auch der WWF Deutschland glaubt nicht an einer Lösung mit Hilfe der Wildschwein-Jagd. Die Ausbreitung des Virus nach Deutschland sei eigentlich kaum zu verhindern und nur eine Frage der Zeit. Deshalb fordere man deutlich weniger Mais- und Rapswüsten, die der WWF als ein regelrechtes „Wildschweinzuchtprogramm“ bewertet.

„Wir werden nicht müde es immer und immer wieder zu sagen: Mehrjährige und vielfältigere Fruchtfolgen tragen zum Klimaschutz bei. Sie fördern die biologische Vielfalt. Und ja, helfen dabei, dass die Schweine nicht überhand nehmen.“ (*4)


Quellen (alle abgerufen am 14.1.2018):

(*1) NDR am 10.01.2018: „Otte-Kinast: Millionen gegen Schweinepest“

(*2) Spektrum.de am12.01.2018: „Afrikanische Schweinepest: Die falsche Sau durchs Dorf treiben“, von Daniel Lingenhöhl

(*3) Westfalen Blatt am 09.01.2018: „BUND glaubt nicht an Erfolg der Aktion – »aus Steuergeldern finanzierter purer Aktionismus«-  Kritik an großer Wildschweinjag“

(*4) WWF-Deutschland am 12.01.2018: „Schweinepest: Die Lösung liegt nicht in der Wildschwein-Jagd“, von Moritz Klose