3 Antworten von Torsten Fritz – Wolfsmonitor

3 Antworten von Torsten Fritz

Torsten Fritz (45), Mitarbeiter der Unteren Jagdbehörde beim Landkreis Potsdam-Mittelmark, ist Jäger, Jagdhundeführer und gleichzeitig ehrenamtlicher Wolfsbeauftragter für die Region südwestlich von Berlin/Potsdam. Wolfsmonitor führte vor dem Hintergrund einer Pressemeldung in der Märkischen Allgemeinen vom 12. Oktober, in der davon berichtet wurde, dass die örtlichen Jäger die Entwicklung der Wolfspopulation als „dramatisch“ bezeichnen, nun ein Interview mit ihm.

WOLFSMONITOR: Herr Fritz, kürzlich berichtete die Märkische Allgemeine auf ihrer Webseite davon, dass die Jägerschaft im Fläming die Wölfe dort als „Plage“ empfinden. Die Beobachtungen der Jäger seien eindeutig, Wölfe seien eine „unterschätzte Gefahr“. Deshalb soll nun beim Umweltministerium in Brandenburg gefordert werden, Wölfe „durch Abschuss dezimieren“ zu dürfen. Sie haben als ehrenamtlicher Wolfsbeauftragter im Landkreis Potsdam-Mittelmark einen Überblick über die dortigen Wolfsvorkommen. Können Sie die Einschätzungen der Jägerschaft bestätigen?


FRITZ: Die im Artikel dargestellte Auffassung der Jägerschaft, dass es 5 Wolfsrudel im Umkreis der Stadt Bad Belzig gibt, ist überzogen. Sicherlich ist der Fläming einer der Verbreitungsschwerpunkte im Land Brandenburg, ähnlich der Lausitz. Aktuell sind hier folgende Wolfsrudel bekannt: Jüterbog-West/Ost, hauptsachlich im Landkreis Teltow-Fläming beheimatet. Diese Wölfe sind auch im angrenzenden Landkreis Potsdam-Mittelmark anzutreffen. Zentral im Landkreis Potsdam-Mittelmark gibt das Lehniner Rudel, auf dem Truppenübungsplatz Lehnin und angrenzend. Ganz im Süden hat das Göritz/Klepziger Wolfsrudel sein Territorium, das sich über die Landesgrenze nach Sachsen-Anhalt erstreckt. Ähnlich verhält es sich mit dem Rudel auf dem Truppenübungsplatz Altengrabow. Auch diese Wölfe überschreiten die Landesgrenze von Sachsen-Anhalt nach Brandenburg, ganz im Westen des Landkreises. In diesem Jahr wurde das Wolfsrudel Görzke erstmals mit Welpen nachgewiesen, welches ihr Territorium zwischen den Lehniner und Altengrabower Rudel hat. Auch alle anderen Wolfsrudel haben in diesem Jahr Nachwuchs.


Wenn überhaupt, kommen die Wölfe des Görzker Rudels in die unmittelbare Nähe der Stadt Bad Belzig. Von einer „Plage“ kann man also nicht sprechen, da jedes dieser Rudel eine Territoriumsgröße von cirka 25.000 Hektar hat, was über der Größe der im Artikel erwähnten Hegegemeinschaft Nonnenheide/Hagelberg liegt, die einen Zusammenschluss von 20 Jagdbezirken darstellt. Auch ist von keinem der in diesen Rudeln beheimateten Wölfen eine Gefahr für den Menschen ausgegangen. Die in der Vergangenheit durch Wölfe nachweislich verursachten Nutztierrisse an Schafen oder auch Rindskälbern können durch geeignete Schutzmaßmaßnahmen vermieden werden. Das haben die Erfahrungen aus der Vergangenheit gezeigt. Hier wurde in den letzten Jahren viel Präventionsarbeit bei Nutztierhaltern geleistet.

WOLFSMONITOR: Im selben Artikel wird beschrieben, dass die Brandenburger Wölfe mittlerweile so nah an Menschen herankommen, „dass man sie streicheln kann“. Das klingt in der Tat ungewöhnlich und wird üblicherweise als „auffälliges Wolfsverhalten“ bezeichnet. Wissen Sie, was es damit tatsächlich auf sich hat?


FRITZ: Da die Jäger im Allgemeinen regelmäßig in Revieren sind, um die Jagd und Hege des Wildes auszuüben, sind sie natürlich auch die ersten, die Kontakt mit Wölfen haben können. Dieser Kontakt war nach den mir bekannten Berichten meiner Beurteilung nach in keinem Fall ein „auffälliges Wolfsverhalten“, auch wenn es aus subjektiver Sicht des beobachtenden Jägers erst ein mal ein beeindruckendes Erlebnis darstellt, einen Wolf, wohlmöglich noch am Tage, anzutreffen. In keinem der mir bekannten Fälle zeigten die gesichteten Wölfe in Potsdam-Mittelmark dem Menschen gegenüber ein aufdringliches oder gar aggressives Verhalten. Dass ein Jäger einem Wolf auf „Armlänge“ so nah kam, dass er diesen hätte streicheln können, halte ich persönlich für „Jägerlatein“.


WOLFSMONITOR: Die Wildbestände, so scheint es, haben durch die Anwesenheit der Wölfe in Ihrer Region besonders zu leiden. „In manchen Wäldern gibt es nur noch ein Viertel des ursprünglichen Wildbestands“, wird der Wolfsbeauftragte der Hegegemeinschaft Nonnenheide/Hagelberg, Horst Battig, zitiert. Teilen Sie seine Einschätzung?

FRITZ: Im Landkreis Potsdam-Mittelmark, insbesondere im Fläming und der Zauche, ist neben Schwarzwild und Rehwild das Damwild die am häufigsten vorkommende Schalenwildart. In der Vergangenheit waren die Bestände des Damwildes in weiten Teilen des Landkreises überhöht, so dass für die Jäger erhöhte Abschussquoten festgelegt wurden, um den Damwildbestand auf ein tragbares Maß für die Land- und Forstwirtschaft zu senken. Mit der Etablierung der Wölfe leistete der Wolf hier besondere „Hilfestellung“, so dass die Damwildbestände bis heute sinken. Offenbar kommt bisher das Damwild mit der Anwesenheit des Wolfes nicht so gut zurecht, wie z.B. das Rotwild. Oder anders gesagt, für den Wolf scheint das Damwild eine leichte und in seiner Größe sehr effektive Beute zu sein. Aber all diese Aussagen sind bisher nicht wissenschaftlich belegt. Hier hätte eine auf den Weg gebrachte Studie der Forstzoologie Tharandt an der TU Dresden für den Bereich der Zauche Aufschluss bringen können. Sie scheiterte aber leider an fehlenden Finanzierungsmöglichkeiten.

Die sinkenden Bestände machen sich natürlich auch bei der Jagdstrecke bemerkbar. Die Jäger erlegten in den letzten Jahren weniger Damwild. Auch beim Rehwild nahm die Jagdstrecke etwas ab. Beim Schwarzwild kann man bisher keine Änderungen feststellen. Seit dem letzten Jahr wird versucht, die Abschußpläne des Damwildes auf den mitjagenden Wolf anzupassen.
Ebenfalls ändert das Wild bei Anwesenheit des Wolfes sein Verhalten. Demzufolge müssen auch die Jäger ihre bisher praktizierten Jagdmethoden darauf anpassen. Revierübergreifende Bewegungsjagden sind hier nur als ein Stichwort zu nennen.

Ob es tatsächlich nur noch ein Viertel des ursprünglichen Wildbestandes gibt, wie von Herrn Battig behauptet wird, ist fraglich, da bekanntlich die Höhe der Wildbestände die „große Unbekannte“ ist. Der im Artikel zitierte Herr Battig ist übrigens Leiter einer Hegegemeinschaft, jedoch kein Wolfsbeauftragter des Landesumweltamtes Brandenburg.


Herr Fritz, vielen Dank für das Interview!


Hinweis: Das Interview bezieht sich im Wesentlichen auf den Artikel „Jäger fürchten Wolfsplage und wollen handeln“ von Saskia Popp, der am 12. Oktober auf der Webseite der Märkischen Allgemeinen „maz-online.de“ erschienen ist (hier ein Link zum Artikel!)