Was nun tun in Goldenstedt? – Wolfsmonitor

Was nun tun in Goldenstedt?

Leute wie ich haben es leicht. Wir lehnen uns zurück, harren der Dinge die da passieren, lesen die Zeitungsmeldungen, gedruckt oder online und pressen hin und wieder einige Zeilen ins Netz. Frei nach dem Motto: Wir haben es immer schon besser gewusst!
Ist das so? Na ganz so einfach ist es sicherlich nicht. Gerade jetzt, wo sich herausstellt, dass die so genannte „Goldenstedter Problemwölfin“ nicht alleine unterwegs ist (man geht von mindestens 3 Wölfen aus) wird von den Lesern durchaus erwartet, dass wir Lösungswege aufzeigen.

Ist in Goldenstedt nun guter Rat teuer?

Arbeiten wir die Geschehnisse einmal kurz auf: Die „Problemwölfe“ sind in den Landkreisen Diepholz und Vechta unterwegs. Der Landkreis Diepholz fiel am 26. November nach einem Kalenderjahr aus der Fördergebietskulisse (Richtlinie Wolf) heraus. Was heißt das? Ein Schadensausgleich aus Steuermitteln wird seit dem 26. November nicht mehr gewährt, wenn die Tiere bei einem Wolfsübergriff nicht mindestens mit dem in der Richtlinie geforderten „Grundschutz“ geschützt waren. So weit so gut. Das bedeutet jedoch nicht, dass die Mittel für die Präventionsmaßnahmen nicht mehr beantragt werden können! Die Konsequenz muss also für die Weidetierhalter in beiden Landkreisen weiterhin lauten: Mittel beantragen und die Tiere schützen! Das ist – seit gestern wissen wir es – mehr denn je nötig! Für den Landkreis Vechta, der erst später in die Förderkulisse Herdenschutz aufgenommen wurde, gilt die Jahresregelung übrigens noch bis zum 11. Februar 2016.

Politische Problemwölfe

Es gab zuletzt einen sprichwörtlichen Schlagabtausch um das Schicksal der Problemwölfin im politischen Niedersachsen. Die Oppositionsparteien im niedersächsischen Landtag forderten die „Entnahme“, was wohl als Umschreibung für den Abschuss gemeint war, obwohl auch der „Fang und die Sicherheitsverwahrung“ in einem Gehege möglich gewesen wären. Sogar der „Wolfsexperte“ Frank Fass vom Wolfcenter Dörverden äußerte sich gegenüber der Presse, er „würde die Wölfin opfern“.
Umweltminister Stefan Wenzel blieb jedoch besonnen und ordnete – wie in allen Wolfsmanagementplänen in Deutschland beschrieben – die Besenderung des vermeintlichen Einzeltieres an. Welche politische Wendung wird nun die neue Situation in der Diskussion bringen? Wie werden die neuen Forderungen der Oppositionsparteien lauten? Alle drei Wölfe entnehmen?

Keiner dieser Wölfe zeigte sich bisher gegenüber einem Menschen aggressiv. Von klassischen „verhaltensauffälligen Wölfen“ kann also keine Rede sein! Und doch ist die Zahl der Nutztierrisse in der Region Besorgnis erregend hoch. Wenn allerdings, wie vom Wolfsbüro Niedersachsen aufgezeigt, die Opfer zu über 90% aus immer noch ungeschützten Herden stammen, dürfte klar sein, in welche Richtung sich die Empfehlungen der Oppositionsparteien eigentlich entwickeln müssten, wenn sie ihre Glaubwürdigkeit nicht vollständig verspielen wollen! Auch sie sollten den Tierhaltern nun langsam einmal nahelegen, ihre Tiere endlich zu schützen! Alles andere ist aus meiner Sicht fahrlässig!

Und Berlin?

In Berlin wird gerade ein bundesweit agierendes „Beratungs- und Dokumentationszentrum Wolf“ vorbereitet. Viele Verbände haben sich dieses Kompetenzzentrum gewünscht (natürlich überwiegend Bundesverbände ;-) ) Wäre die Situation in Vechta heute eine andere, wenn dieses Zentrum bereits arbeitsfähig wäre?
Vermutlich nicht, vielleicht mit einer Ausnahme. Man hätte wahrscheinlich auf höchster Ebene unter Hinzuziehung zahlreicher Experten darüber befunden, ob bei der Wölfin in Vechta eine Verhaltensauffälligkeit vorliegt oder nicht. So hilfreich es ein mag, so ein zentraldeutsches Zentrum mit einem eigenen Aufgabenprofil zu haben, bei echter „Gefahr im Verzug“ dürfte eine weitere hierarchische Abstimmungsebene eher hinderlich als hilfreich sein und wichtige Reaktionszeit kosten. Daran sollte man unbedingt denken, wenn man das Aufgabenprofil des Kompetenzzentrums zurechtschneidert. Auch wenn einige regionale Experten bereits heute auf die „ganz große Bundesnummer“ hoffen mögen, was ihrem persönlichen Renommee durchaus zugutekommen könnte, eine geeignete Lösung für alle mit den Wölfen verbundenen Probleme wird es in Berlin nicht geben (können)!


Deshalb plädiere ich weiterhin für eine Handvoll lokal verfügbarer „erfahrener Personen“, die ich als „Wolfscouts“ bezeichne. Ohne sie wird es meines Erachtens auf Dauer im Wolfsmanagement nicht gehen. Dieser „Dreiklang“, also auf lokaler Ebene Wolfscouts, auf Landesebene die jeweilige Wolfmanagementverantwortung (einschließlich des Wettbewerbs der diversen Landeskonzepte) und in Berlin die nationale und internationale Expertise für die zentrale Dokumentation und die einheitliche Prozessgestaltung (wo möglich) sowie den internationalen Austausch könnte m.E. ein geeignetes Modell sein, um das Zusammenleben zwischen Wölfen und Menschen in unserer eng besiedelten Kulturlandschaft langfristig erfolgreich zu organisieren.

Wenn man es richtig machen möchte, sollte sich das Kompetenzzentrum in Berlin am besten gleich so ausrichten, wie es die Large Carnivore Initiative for Europe (LCIE) bereits heute vormacht: auf die drei großen heimischen Beutegreifer Wolf, Luchs und Bär! Alle drei brauchen eine besondere Betrachtung und ein explizites Management. Das würde allerdings heißen, dass man den Luchs aus dem Jagdrecht entlassen müsste! Realistisch? Aus meiner Sicht sogar unumgänglich!


Und was sollte nun in Goldenstedt geschehen?


Meine Empfehlung: Weitermachen wie geplant! Versuchen, mindestens einen Wolf zu besendern und ggf. Vergrämungsmaßnahmen durchführen. Parallel dazu den Herdenschutz signifikant verbessern und gleichzeitig anfangen, ein Wolfscoutkonzept aufzusetzen. Wie? Ich hätte da durchaus eine Idee….


Herzlichst
Ihr
Jürgen Vogler