Bischofs-Boulevard: Der missionierende Wolfsverriss – Wolfsmonitor

Bischofs-Boulevard: Der missionierende Wolfsverriss

Einen Moment lang dachte ich gestern beim Frühstück, meine Tageszeitung – eine Regionalausgabe der NOZ – rutscht plötzlich auf das Niveau eines Boulevardblattes, denen man gewöhnlich ja nicht gerade Seriosität nachsagt, herab. Der Grund: Leserbriefschreiber Hermann Bischof aus Bramsche durfte eine halbe Zeitungsseite lang darüber schwadronieren, was er über Wölfe zu wissen glaubt, ahnt, meint, annimmt, befürchtet, denkt, argwöhnt, vorschlägt und vermutet.

Bereits die Überschrift seines Leserbriefs verhieß nichts Gutes, sie lautete: „Der Wolf ist entbehrlich…“

Weiter las sich das dann beispielsweise so:

… „unsere Schäfer, die Landschaftspfleger ersten Ranges, sie will der „Grünen-Minister“ verpflichten, ihre Weideflächen zwei Meter hoch einzuzäunen, um Tiere vor dem Wolf zu schützen.“…

(Anm. d. WM-Redaktion: Stimmt nicht!)


Oder so:

„Ich bin mir sicher, 80 Prozent der Bevölkerung würden, nach sachlicher Aufklärung, für einen Abschuss der Wölfe sein.“

(Anm. d. WM-Redaktion: Eine repräsentative Forsa-Bevölkerungsumfrage aus dem September 2015 ergab, dass 80 % den Wolf hier wollen, 78% sogar, wenn es dabei zu Problemen kommt.)


Und weiter:

“Der Wolf ist und bleibt eine gefährliche Bestie, die in einer Kulturlandschaft wie bei uns nichts aber auch gar nichts zu suchen hat.“

(Anm. d. WM-Redaktion: Wohl spätestens an dieser Stelle wäre im Netz (gedruckte Leserbriefe wie dieser werden bislang von der NOZ nicht ins Internet gestellt) vermutlich ein „Shitstorm“ über diese Äußerung und schlimmstenfalls auch über Herrn Bischof selbst hereingebrochen…).


Und dann äußerte der gute Mann zum Ende seiner Ausführungen hin auch noch, „dass immer mehr Personen, die über entsprechende Mittel verfügen, in Notwehr handeln“, bevor er zu erkennen gibt, dass er selbst jedoch nicht einmal das tragische Schicksal des Wanderwolfs „Kurt“ kennt, mit dem er sein Selbsthilfe-Argument zu begründen versucht.

Denn er schreibt, dass diesen Wolf das Schicksal nördlich von Friesoythe ereilte (weil sich dort dessen Spur verlor). Deshalb geht er offenbar davon aus, dass bereits dort jemand selbstgerecht zur „Selbsthilfe“ griff.

(Anm. d. WM-Redaktion: Ich bin mir nicht so ganz sicher, ob ich Bischofs Geschreibsel an dieser Stelle richtig verstanden habe, sicher bin ich mir jedoch: Der Wolf verunglückte bei einem Unfall mit einem Kraftfahrzeug am 15. April 2015 auf der A7 bei Berkhof nördlich von Hannover tödlich und wird demnächst in einem niederländischen Museum als ausgestopftes Exponat zu bestaunen sein).

Dennoch lautet die finale Forderung Bischofs: „Politiker aller Parteien, handelt zum Wohle des Volkes, sonst ist das Volk gezwungen zu handeln.“

(Anm. d. WM-Redaktion: Keine!)


Natürlich merkt die NOZ nebenstehend an: „Leserbriefe sind persönliche Meinungsäußerungen unserer Leserinnen und Leser und geben nicht die Ansichten der Redaktion wieder.“

Wobei man sich als Leser manchmal einen Hinweis darauf wünschen würde, nach welchen Kriterien so ein Leserbrief eigentlich ausgewählt wird.

Offenbar dienen sie – eingebettet zwischen Witzchen, Horoskopen und dem Wetter – allein der Unterhaltung des Publikums, denn um die sorgfältig recherchierte Information kann es offensichtlich nicht gehen.

Oder sollen sie vielleicht als weit sichtbarer Beweis der libertären Meinungstoleranz dienen?

Ich bin mal gespannt, wie es beim Thema Wolf in der NOZ nach diesem missionierenden Wolfsverriss von Hermann Bischof weitergehen wird. Und hoffe dabei auf eine gewisse Ausgewogenheit in der Darstellung und auf durchgängig „belastbare“ Argumente…


„Halbe Narren sind wir alle.

Ganze Narren sperrt man ein.

Aber die dreiviertel Narren,

die bereiten uns viel Pein.“

Michail Jewgrafowitsch Saltykow-Schtschedrin (1826 – 1889)


Herzlichst

Ihr

Jürgen Vogler


Quelle: Neue Osnabrücker Zeitung, Ausgabe Lingener Tagespost, Rubrik Dialog am 3. Januar 2016, Leserbrief von Hermann Bischof: „Der Wolf ist entbehrlich, der Schäfer nicht!“


Beitragsfoto: Heiko Anders, www.andersfotografiert.com