Was braucht der Mensch als Jäger, Jagdkonkurrent und Wolfsberater? (Teil 2 von 3) – Wolfsmonitor

Was braucht der Mensch als Jäger, Jagdkonkurrent und Wolfsberater? (Teil 2 von 3)

Da Wild niemals vor Nachstellungen sicher war, hat sich weder der Fluchtinstinkt noch die körperliche Leistungsfähigkeit zurückentwickelt. Entscheidender für die Konstitution ist gerade bei den wiederkäuenden Arten, dass der Äsungsrythmus eingehalten werden kann und es entsprechende Äsungsperioden und Ruhephasen zur Verdauung gibt.

In äsungsarmen Zeiten wirken sich Ruhestörungen durch den erhöhten Stoffwechsel gerade beim Rotwild nachteilig aus, der aus dem Stand auf 200% des Grundbedarfs steigen kann.

Störungen für das Wild sind vielfältig, Freizeit- und Jagdaktivitäten können gelenkt werden, der Wolf wird sich daran kaum halten.

In einem natürlichen Lebensraum, in dem alle Beutegreifer wie Wolf, Luchs und Bär vorkommen, gibt es keine Wildruhezonen und kein Nachtjagdverbot, keine Rücksichtnahme auf den jahreszeitlich bedingten Aktivitätsgrad und Stoffwechsel des Wildes.

Ob die Fitness des Wildes durch den Wolf daher tatsächlich positiv beeinflusst wird, hängt wohl noch von anderen Faktoren ab und eine derartige Hypothese darf erst noch bewiesen werden.

Die Hoffnungen der Forstwirtschaft auf verminderte Schäl- und Verbissschäden dürften sich erst erfüllen, wenn es tatsächlich eine signifikante Reduktion des Schalenwildes durch den Wolf gibt. Ob hierbei erst die „Verbeißer“ und danach die „Schäler“ reduziert werden, der Eingriff also erst zu Lasten der einen und danach der anderen Art geht oder dieses ein paralleler Vorgang ist, ist reine Spekulation.

Das für den segnenden Einfluss auf den Holzertrag gern bemühte russische Sprichwort, „wo der Wolf jagt, wächst der Wald“, beruht wohl eher auf Wunschinterpretation der Beute-Prädatorbeziehung im Habitat der Kulturlandschaft, über die keine gesicherten Erkenntnisse vorliegen.

Alle wissenschaftlichen Untersuchungen stammen aus Habitaten, die nicht mit den hiesigen zu vergleichen sind.

Yellowstone National Park und Isle Royal sind Regionen ohne menschliche Eingriffe, in denen forstwirtschaftliche Gesichtspunkte keine Rolle spielen, der Baum muss dort nicht Wertästung und Zielstärke erreichen.

Untersuchungen des Max-Planck-Instituts mit dem Rumänischen forstlichen Forschungs- und Management-Institut in Bukarest aus 2014 zeigten, dass trotz Wolf, Luchs und Bär 10-30 % der Baumarten durch Wildverbiss geschädigt waren.

25 Jahre nach Beginn des LÖWE Projekts (Langfristige ökologische Wald-Entwicklung) in den Niedersächsischen Landesforsten, wurden die finanziellen Aufwendungen für Schutzmaßnahmen um ca. 65% reduziert und betragen gegenwärtig ca. 1,5 Millionen €/Jahr. Die Verbiss und Schälschäden liegen in Summe knapp unter 30%, während die Jagdstrecken bei Rot- und Damwild stiegen und beim Rehwild leicht abnahmen.

Bei einem Flächenanteil der Landesforsten von 28%  an der niedersächsischen Waldfläche zeigen diese Zahlen beispielhaft, dass dem Waldbau neben der Jagd eine entscheidende Rolle zukommt. Die Verbiss- und Schälschäden sind prozentual nicht höher, als in Regionen Rumäniens, wo Wolf, Luchs und Bär jagen.

Die Zusammenhänge zwischen Vegetation, Beutetieren und Beutegreifern sind komplex und werden von der Wissenschaft kontrovers diskutiert, und ob diese Beobachtungen auf andere Regionen übertragen werden können, steht auf einem ganz anderen Blatt.

In Deutschland fehlt es an jeglicher wissenschaftlicher Untersuchung zu Waldschäden im Wolfsgebiet und daher sind Spekulationen zum Wolf in der Rolle als Forstgehilfe und Retter der Naturverjüngung völlig fehl am Platz.

Für Jäger bleibt die Sorge, nach dem Einfluss der Wölfe auf die jagdbaren Wildbestände. Wotschikowsky‘s Studie Wölfe und Jäger in der Oberlausitz war ein früher Versuch 2006, zu der Zeit, als es erst 2 Rudel in Sachsen gab, dieser Frage nachzugehen.

Die Studie bemühte die Jagdstrecken der Regionen mit dem Ergebnis, dass er keine signifikante Beeinflussung der Strecken durch den Wolf nachweisen konnte. Es ist eine Beobachtung, die bis heute für alle Wolfsregionen in Deutschland und auch in Niedersachsen gilt.

Nur sind Jagdstrecken ohnehin nur von begrenzter Aussagekraft, da diese von etlichen Faktoren, Witterung, persönlichem Einsatz und auch Jagdglück beeinflusst werden und definitiv keine Aussage über die Ausgangspopulation zulassen.

Die Jahresstrecke gibt keinen Aufschluss darüber, ob das letzte Stück einer Art erlegt wurde oder die Population durch den Eingriff nachhaltig oder den Zuwachs hinaus bejagt wurde.

Wölfe sind durchaus für dramatische Einflüsse auf ihre Beutepopulationen bekannt, sei es das Wechselspiel der Wolf –Elch-Population auf der Isle Royale oder ihr Einfluss auf Elch und Karibu Bestände im Yukon, nur haftet allen diesen Beispielen der Mangel des regionalen Bezugs an.

Wir wissen nicht, wann eine Population durch Prädatoren in ihrer Existenz bedroht wird, mit Aussnahme des Muffelwildes. Wir wissen nichts über veränderte Reproduktion der Beutetiere unter Prädationsdruck. Wir wissen nicht einmal, wie viel der Wolf von einem Riss tatsächlich selber nutzt oder anderen Nachnutzern überlässt.

Daher sind alle Aussagen zu Populationsentwicklungen sowohl der Wölfe als auch der Beutetiere reine Spekulation, die der Wolfsgegner wie der Befürworter.

Als Jagdkonkurrent ist der Wolf eine Herausforderung an die Jagd als Handwerk. Wer Jagderfolg unter veränderten Bedingungen haben möchte, muss seine Strategien evtl. überdenken. Der ein oder andere Jäger wird seine Überzeugungen und Maßstäbe, nach denen er jagt überprüfen müssen.

Jagd dient keiner höheren Ordnung im Wald, ist keine Bevorzugung einzelner Arten, keine Unterscheidung von Spezies nach Nutzen und Nichtnutzen – es die nachhaltige Nutzung natürlicher Ressourcen, die wir lernen müssen, mit dem Wolf zu teilen.

In einer Gesellschaft, die in Teilen die Jagd und das Töten von Tieren als unmoralischen Zeitvertreib betrachtet und gleichzeitig in realitätsferner Romantik den Wolf als Heilsbringer einer renaturierten Wildnis begrüßt, fehlt das Bewusstsein, dass Natur weder Mitleid noch Ethik kennt.

Fortsetzung folgt….

(Hier geht es zum dritten Teil des Beitrags von Klaus Bullerjahn)

(Hier geht es zum ersten Teil des Beitrags von Klaus Bullerjahn)


Anmerkung der Redaktion: Klaus Bullerjahn hielt diesen Vortrag auf der Tagung „(K)Ein Platz für wilde Tiere? Wolf & Co.“ der Evangelischen Akademie Loccum im November 2016. Weitere Infos zur Tagung und diesen Vortrag in voller Länge finden Sie in der Tagungsdokumentation, hier der Link!