Wölfe ins Jagdrecht? – hätte weiterhin keine alleinige Zuständigkeit der Jagdverantwortlichen bei Unfällen mit Wölfen zur Folge – Wolfsmonitor

Wölfe ins Jagdrecht? – hätte weiterhin keine alleinige Zuständigkeit der Jagdverantwortlichen bei Unfällen mit Wölfen zur Folge

Welche Auswirkungen hätte eine Übernahme der Wölfe in das Jagdrecht bei ganzjähriger Schonzeit speziell für die Jäger? Jürgen Barth, Landtagsabgeordneter der SPD in Sachsen-Anhalt stellte eine entsprechende kleine Anfrage an die Landesregierung. Das Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft und Energie antwortete nun wie folgt (im Wortlaut):

„Rechtliche Auswirkungen für die Jäger bei der Übernahme des Wolfes in das Jagdrecht mit ganzjähriger Schonzeit“

Kleine Anfrage – KA 7/887

Antwort der Landesregierung erstellt vom Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft und Energie – Vorbemerkung der Landesregierung:

„Der Wolf ist aufgrund seiner Listung in Anhang IV Buchstabe a) der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie (FFH-Richtlinie) nach dem Bundesnaturschutzgesetz besonders und streng geschützt. Es gelten die europäischen Bestimmungen zum Artenschutz nach den Artikeln 12 bis 16 der FFH-Richtlinie sowie die nationalen Vorschriften für besonders geschützte und bestimmte andere Tier- und Pflanzenarten nach § 44 Bundesnaturschutzgesetz.

Ausnahmen von diesen Schutzbestimmungen sind nach § 45 Abs. 7 Bundesnaturschutzgesetz nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich, beispielsweise zur Abwendung erheblicher land-, forst-, fischerei-, wasser- oder sonstiger erheblicher wirtschaftlicher Schäden, im Interesse der Gesundheit des Menschen, der öffentlichen Sicherheit, der maßgeblich günstigen Auswirkungen auf die Umwelt oder aus anderen zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses einschließlich solcher sozialer oder wirtschaftlicher Art.


Ausnahmen dürfen nur zugelassen werden, wenn zumutbare Alternativen nicht gegeben sind und sich der Erhaltungszustand der Populationen einer Art nicht verschlechtert, soweit nicht Artikel 16 Absatz 1 der FFH-Richtlinie weitergehende Anforderungen enthält.


Der Wolf ist im Bundesjagdgesetz nicht als jagdbare Tierart geführt. Die Länder können aber weitere Tiere unter die Landesjagdgesetzgebung stellen. Der Freistaat Sachsen hat sich 2012 dazu entschieden, den Wolf unter das Jagdrecht zu stellen, da sich die damalige Landesregierung dadurch eine größere Akzeptanz unter den Jägern und Jägerinnen erhoffte.


Zudem hat der Freistaat Sachsen noch eine Monitoringverpflichtung in das Jagdrecht aufgenommen. Da der Wolf aber nach Naturschutzrecht unter besonderem und strengem Schutz steht, ist er jagdrechtlich mit einer ganzjährigen Schonzeit belegt, darf also trotzdem nicht bejagt werden.


1. Welche rechtlichen Wirkungen würde die Aufnahme des Wolfes in das Landesjagdgesetz mit ganzjähriger Schonzeit für die Jäger beinhalten?

Eine landesrechtliche Unterstellung des Wolfs unter das Jagdrecht ist grundsätzlich bundesrechtlich nicht ausgeschlossen. Sie hätte zunächst nur die Rechtsfolge, dass der Wolf der Hegeverpflichtung nach § 1 Abs. 1 Satz 2 Bundesjagdgesetz unterläge. Innere Rechtfertigung für die Zuordnung einer Tierart zum Jagdrecht ist, ob diese im Verantwortungsbereich der Hegeverpflichtung (§ 1. Abs. 2 Bundesjagdgesetz) eine Rolle spielt. Da das Jagdrecht keine spezifischen Instrumente enthält, die zu Gunsten einer positiven Hege des Wolfes eingesetzt werden könnten, hätte die Hegeverpflichtung für den Wolf demnach kaum mehr als nur symbolischen Charakter.

Das strenge Schutzsystem nach europäischem und nationalem Naturschutzrecht bliebe auch bei einer Unterstellung des Wolfs unter das Jagdrecht unverändert und zu beachten (§ 47a des Landesjagdgesetzes für Sachsen-Anhalt).


2. Welche rechtlichen Konsequenzen würden sich bei der Aufnahme desWolfes in das Landesjagdgesetz hinsichtlich der Zuständigkeiten bei Wildunfällen von Wölfen ergeben?

Mit Aufnahme des Wolfes in das Landesjagdgesetz fiele dieser unter den Begriff „Wild“ (wild lebende Tiere, die dem Jagdrecht unterliegen). Bei Unfällen im Straßenverkehr mit Wild (Wildunfälle) unterliegt Unfallwild als verendetes Wild dem ausschließlichen Aneignungsrecht des Jagdausübungsberechtigten. Aus dem Aneignungsrecht folgt jedoch keine Aneignungspflicht und erst recht keine allgemeine Räumungspflicht. Bei Autobahnen und Bahnanlagen kommt das allgemeine Betretungsverbot hinzu. Sofern das verendete Stück Wild nicht seuchenkrank ist und den Jagdausübungsberechtigten damit keine Mitwirkungspflicht trifft, ist der Jagdausübungsberechtigte nicht zur Beseitigung von Unfallwild verpflichtet. Diese Pflicht trifft vielmehr die zuständige Straßenbehörde im Rahmen ihrer Verkehrssicherungspflicht bzw. in Eilfällen die Polizei. Insofern kommt nur eine entschädigungspflichtige Inanspruchnahme des Jagdausübungsberechtigten als „Notstandspflichtigen“ nach § 10 des Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung des Landes Sachsen-Anhalt (SOG LSA) in Betracht.

Lebt das angefahrene Wild hingegen noch, besteht für den Jagdausübungsberechtigten die Pflicht aus § 22a Abs.1 Bundesjagdgesetz zum unverzüglichen Erlösen und in dessen Folge dann auch zur Beseitigung. Die Pflicht zum „unverzüglichen Erlegen“ krankgeschossenen Wildes, um es vor vermeidbaren Schmerzen oder Leiden zu bewahren, gilt nach § 22a Abs.1, zweiter Halbsatz des Bundesjagdgesetzes auch für schwerkrankes Wild. „Krank“ ist ein Tier, welches nur in seinem Wohlbefinden beeinträchtigt ist und in absehbarer Zeit durch eigene Kräfte die volle Gesundheit wieder erlangt. „Schwerkrank“ ist ein Tier, wenn es Qualen erleidet, unabhängig davon, ob es an der Krankheit oder seinen Verletzungen verendet oder sich nach längerer Zeit davon erholen könnte. Kann das Tier eingefangen und versorgt werden, entfällt zwar die Verpflichtung zum unverzüglichen Erlegen. Es verbleibt jedoch auch in diesen Fällen die Befugnis des Berechtigten, das Wild unverzüglich von seinen Qualen zu erlösen. Diese Vorschrift dient allein dem Tierschutz, nicht jedoch dem Artenschutz.


Daneben sind Jagdrecht und Artenschutzrecht nach ihrer Konzeption voneinander zu trennen (vgl. § 37 Abs.2 Bundesnaturschutzgesetz). Insofern ist eine Anwendung der Regelung des § 22a Bundesjagdgesetz bei Wildunfällen mit Wölfen als einer nach Naturschutzrecht besonders und streng geschützten Tierart rechtlich problematisch, solange nicht zweifelsfrei festgestellt wurde, ob der verletzte Wolf in dem betreffenden Fall eingefangen, versorgt und gesund gepflegt werden kann. Insofern wird auf die im Entwurf vorliegenden Handlungsempfehlungen in Abschnitt 7.3 Umgang mit verletzten Wölfen der Leitlinie Wolf – Handlungsempfehlungen zum Umgang mit Wölfen verwiesen.


Unbeschadet dessen und vorbehaltlich jagdrechtlicher Vorschriften gestattet es § 45 Abs. 5 Bundesnaturschutzgesetz Jedermann, verletzte, hilflose oder kranke Tiere aufzunehmen, um sie gesund zu pflegen. Die Tiere sind unverzüglich freizulassen, sobald sie sich selbständig erhalten können. Im Übrigen sind sie an die von der für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörde bestimmte Stelle abzugeben. Handelt es sich um Tiere der streng geschützten Arten, so hat der Besitzer die Aufnahme des Tieres der für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörde zu melden. Diese kann die Herausgabe des aufgenommenen Tieres verlangen. Im Ergebnis ist festzuhalten, dass auch bei einer Aufnahme des Wolfes in das Landesjagdgesetz eine alleinige Zuständigkeit der Jagdausübungsberechtigten bzw. Jagdbehörden bei Wildunfällen mit Wölfen weiterhin nicht der Fall ist.


3. Welche rechtlichen Wirkungen könnten sich bei der Aufnahme des Wolfes in das Landesjagdgesetz ergeben, wenn für einen Problemwolf die Ausnahmegenehmigung zur Entnahme erteilt wurde?


§ 47a des Landesjagdgesetzes für Sachsen- Anhalt schreibt vor, dass bei Rechten nach diesem Gesetz sowie bei Maßnahmen nach diesem Gesetz oder nach Verordnungen aufgrund dieses Gesetzes, insbesondere Geboten, Einschränkungen von Verboten, Erlaubnissen, Ausnahmegenehmigungen oder Befreiungen, die Artikel 12 bis 16 Abs. 1 der FFH-Richtlinie in der jeweils geltenden Fassung zu beachten sind. Durch die landesrechtliche Überführung des Wolfes in das Jagdrecht mit ganzjähriger Schonzeit würde sich an dem Schutzstatus des Wolfes und der Einhaltung der EU- rechtlichen Vorgaben grundsätzlich nichts ändern. Allerdings hätte der Wolf dann einen „doppelten Rechtsstatus“, der ein Doppelregime der Naturschutz- und Jagdbehörden mit sich brächte, was wiederum zu komplexen Kooperationsverhältnissen innerhalb der Verwaltung führen würde. Eine Ausnahmegenehmigung zur Entnahme eines Problemwolfs könnte nur im Einvernehmen zwischen der oberen Naturschutz- und der oberen Jagdbehörde erfolgen.


Auch bei der Aufnahme des Wolfes in das Landesjagdgesetz mit ganzjähriger Schonzeit wären rechtliche Konflikte für Jagdausübungsberechtigte in Folge des Vollzugs einer Ausnahmegenehmigung zur Entnahme eines Problemwolfs bis hin zu Strafanzeigen nicht auszuschließen.“


Quelle: Drucksache 7/1623 des Landtags Sachsen-Anhalt vom 03.07.2017: Kleine Anfrage des Abgeordneten Jürgen Barth (SPD) – KA 7/887: „Rechtliche Auswirkungen für die Jäger bei der Übernahme des Wolfes in das Jagdrecht mit ganzjähriger Schonzeit“, abgerufen am 9.7.2017, hier der Link!


Beitragsfoto: Heiko Anders, www.andersfotografiert.com

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