Fortsetzung: Leserbriefe von Ulrich Wotschikowsky und Jost Maurin – Wolfsmonitor

Fortsetzung: Leserbriefe von Ulrich Wotschikowsky und Jost Maurin

Mit den Worten „Fortsetzung folgt“ endete am Montag der etwas längere Wolfsmonitor-Artikel „Ein „Wolfsdrama“ in mehreren Akten…“ (hier!), der auch die Reaktion des anerkannten Wolfsexperten Ulrich Wotschikowsky auf einen TAZ-Artikel (hier!) von Jost Maurin enthielt.

Auf der Facebook-Seite „Wölfe-Fakten“ antwortete Jost Maurin nun auf den Leserbrief von Ulrich Wotschikowsky wie folgt:

„Sehr geehrter Herr Wotschikowsky,

hier meine Antwort auf Ihren Leserbrief:

  1. Die Wölfe kommen uns sehr wohl immer näher. Denn es ist ja unbestritten, dass sich Wölfe in immer mehr Teilen Deutschlands ausbreiten, womit sie automatisch immer mehr Menschen näher kommen.
  2. In der Rissstatistik des Brandenburger Landesamts für Umwelt sind Rissvorfälle bei Herrn Dommel notiert, jeweils mit der Angabe „Wolf n.a. = Wolf als Verursacher nicht auszuschließen“.
  3. Herr Dommel ist bereits Wochen vor meinem Text in mehreren Medien damit zitiert worden, dass mehrere seiner Rinder von Wölfen gerissen worden seien (z.B. DLF, Lausitzer Rundschau, Neues Deutschland), ohne dass ihm jemand widersprochen hätte.
  4. Ich habe mir seine Aussagen keinesfalls zueigengemacht, sondern ihn zitiert und das eindeutig kenntlich gemacht (durch Anführungszeichen bzw. indirekte Rede).
  5. Angenommen, Herr Dommel hätte doch gelogen: Was verändert das für unsere Debatte? Dass Wölfe auch Nutztiere töten, und dass dann mitunter sehr brutale Bilder ergibt, bestreitet niemand.
  6. In meinem Text habe ich geschrieben: „Das [Wolfsrisse] trifft ausgerechnet Bauern wie Jörg Dommel, die ihr Vieh besonders artgerecht und naturfreundlich halten: auf der Weide und nicht nur im Stall. Der Wolf geht um – sollten dann besser alle Nutztiere eingesperrt werden , in hermetisch abgeriegelte Ställe wie in der Intensivviehhaltung?“ Aus dem vollständigen Zitat (nicht aus der gekürzten Version in Ihrem Brief) wird deutlich, was wirklich gemeint ist: Weidehaltung ist artgerechter und naturfreundlicher als reine Stallhaltung, vor allem in die Intensivtierhaltung.
  7. Ich kann bezeugen, dass zum Zeitpunkt meines Besuchs dort die Weide von Herrn Dommel in weiten Teilen keinesfalls eine Schlammlache war, sondern mit Gras bewachsen war.
  8. Sie unterstellen mir, mir sei nicht an einem „objektiven Bild“ gelegen. Doch wer entscheidet, was „objektiv“ ist. Diese Entscheidung ist immer subjektiv.
  9. Sicherlich gibt es auch Nutztierhalter, die mit dem Wolf „recht gut klarkommen“. Aber in Brandenburg zum Beispiel sehen sowohl der Landesbauernverband als auch der Bauernbund, die zusammen fast alle Landwirte dort vertreten, die Lage recht kritisch. Ähnlich ist es in Niedersachsen.
  10. Die von Ihnen erwähnten Zahlen aus Brandenburg zu Totgeburten o.ä. und Rissen halte ich für die Debatte für weniger aussagekräftig als die Zahlen, die in dem Artikel stehen. Dass bisher wenige Nutztiere von Wölfen gerissen werden, wird durch die im Beitrag zitierten bundesweiten Angaben deutlich. Im Text steht aber auch, dass die Risszahlen steigen könnten, wenn bald in ganz Deutschland weit mehr Wölfe leben als zurzeit. Relevanter als die Brandenburger Zahlen sind Zahlen aus Regionen wie Grosseto, wo es immer schon Wölfe gegeben hat. Deshalb steht im Text, dass in Grosseto jedes Jahr 0,7 Prozent aller Schafe gerissen werden. Sie mögen das für unerheblich halten. Aber viele andere Menschen sehen das anders, wie ich im Text ausführe: „die Weidehaltung steht schon lange aus ökonomischen Gründen unter Druck. Die Belastung durch den Wolf könnte ihr den Rest geben, befürchten viele.“ Eckehard Niemann von der AbL etwa spricht vom Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringen könnte. Deshalb ist es auch unerheblich, wie viele Kälber tot geboren werden. Diese Probleme gab es in der Weidehaltung schon immer. Jetzt kommt die Belastung durch den Wolf hinzu und könnte die Waage zum Kippen bringen.
  11. Die Entschädigung von Rissen ist mangelhaft, wie im Text beschrieben.
  12. Wenn Sie die rhetorische Frage „Ist nicht ein Toter einer zu viel?“ nicht positiv beantworten können, dann wundert mich das.
  13. Nein, ich bin nicht dafür, alle Löwen etc. zu schießen. Aber im Text steht: „Doch Leute wie Bauer Dommel würden wohl nie Afrikanern verbieten, Löwen auf bestimmte Gebiete zu begrenzen, um Dörfer zu schützen.“
  14. Falsch ist Ihre Behauptung, dass ich es anstößig finde, wenn Leute für Naturschutz-Arbeit bezahlt werden. Ich habe das an keiner Stelle geschrieben. Ich habe aber darauf hingewiesen, dass eine wirtschaftliche Abhängigkeit die Äußerungen einer Person beeinflussen könnten. Das habe ich bei Herrn Bathen getan, aber auch bei Herrn Dommel („Es ist nicht auszuschließen, dass Dommel die Gefahr durch den Wolf etwas dramatisiert. Denn er ist vor allem gegen den Wolf, weil er ihn Geld kostet.“) Bei beiden nenne ich das aber nur als Möglichkeit, keinesfalls als Tatsache.
  15. Herr Bathen wird ausführlich in dem Text zitiert. Als weitere Befürworterin der unbegrenzten Ausbreitung des Wolfs kommt Frau Soethe zu Wort. Deshalb ist der Vorwurf falsch, der Artikel sei „einseitig“.
  16. Eine abschließende Frage an Sie, Herr Wotschikowsky: Was würden Sie Eltern eines Kindes sagen, das von Wölfen gefressen wurde, für deren Verbreitung in Deutschland Sie kämpfen?“

Mit freundlichen Grüßen,

Jost Maurin


Ulrich Wotschikowsky erwiderte darauf umgehend:

„Hallo Herr Maurin, wie schon vor ein paar Tagen mitgeteilt werde ich nicht viel Zeit in einen Kommentar investieren. Ich antworte Ihnen in kursiver Schrift.

  1. Die Wölfe kommen uns sehr wohl immer näher. Denn es ist ja unbestritten, dass sich Wölfe in immer mehr Teilen Deutschlands ausbreiten, womit sie automatisch immer mehr Menschen näher kommen.

Hätten Sie geschrieben „es werden mehr, immer mehr“ wäre das sachlich richtig gewesen. Aber mit „näher“ insinuieren Sie, dass die Wölfe die Distanz zum Menschen verkleinern. Das wird vielfach behauptet („sie verlieren ihre Scheu“), aber genau das ist nicht belegt.

  1. In der Rissstatistik des Brandenburger Landesamts für Umwelt sind Rissvorfälle bei Herrn Dommel notiert, jeweils mit der Angabe „Wolf n.a. = Wolf als Verursacher nicht auszuschließen“.

Ja – aber das heißt nicht, dass Wölfe als Verursacher nachgewiesen wurden. Es ist eine kulante Regelung gegenüber den Landwirten, genau genommen nicht im Einklang mit dem Grundsatz „in dubio pro reo“ (dann würde es heißen: Wolf nicht bewiesen, es gibt keinen Ersatz). Der Vermerk „n. a.“ sagt also wenig.

  1. Herr Dommel ist bereits Wochen vor meinem Text in mehreren Medien damit zitiert worden, dass mehrere seiner Rinder von Wölfen gerissen worden seien (z.B. DLF, Lausitzer Rundschau, Neues Deutschland), ohne dass ihm jemand widersprochen hätte.

Ihre Quellen sind also Behauptungen in der Tagespresse? Ich halte das nicht für eine saubere Recherche. Und übrigens – was hätten wir zu tun, um all die Behauptungen zu widerlegen, die in der Presse stehen! Trump, Erdogan, Pegida, AfD etc lassen herzlich grüßen!

  1. Ich habe mir seine Aussagen keinesfalls zu Eigen gemacht, sondern ihn zitiert und das eindeutig kenntlich gemacht (durch Anführungszeichen bzw. indirekte Rede).

Ich muss Ihnen, dem Berufsjournalisten, doch hoffentlich nicht erklären, dass es auf den Duktus der Sprache ankommt!

  1. Angenommen, Herr Dommel hätte doch gelogen: Was verändert das für unsere Debatte? Dass Wölfe auch Nutztiere töten, und das dann mitunter sehr brutale Bilder ergibt, bestreitet niemand.

Habe ich auch nicht. Aber Ihr Artikel wird nicht dadurch glaubwürdig, dass Sie zweifelhafte Quellen zitieren. Es gibt ja gute Quellen zu Hauf, ich habe Ihnen auch in unserem Telefongespräch mehrere Fälle und Quellen genannt – warum haben Sie sich nicht bedient!

  1. In meinem Text habe ich geschrieben: „Das [Wolfsrisse] trifft ausgerechnet Bauern wie Jörg Dommel, die ihr Vieh besonders artgerecht und naturfreundlich halten: auf der Weide und nicht nur im Stall. Der Wolf geht um – sollten dann besser alle Nutztiere eingesperrt werden, in hermetisch abgeriegelte Ställe wie in der Intensivviehhaltung?“ Aus dem vollständigen Zitat (nicht aus der gekürzten Version in Ihrem Brief) wird deutlich, was wirklich gemeint ist: Weidehaltung ist artgerechter und naturfreundlicher als reine Stallhaltung, vor allem in die Intensivtierhaltung.

Da haben Sie durchaus Recht. Aber ich habe in den Protokollen gesehen, wie es auf diesen Weiden aussehen kann (und darauf hingewiesen, dass Dommel nichts kann für schlechtes Wetter). Ich kann Ihnen versichern, dass die freie Weidetierhaltung in absehbarer Zeit aus Tierschutzgründen (!) in große Schwierigkeiten kommen wird. Von wegen „artgerechte“ Haltung. Seien Sie aber versichert, dass ich es sehr bedauern würde, wenn die freie Weidetierhaltung zu Gunsten der Stallhaltung zurückginge.

  1. Ich kann bezeugen, dass zum Zeitpunkt meines Besuchs dort die Weide von Herrn Dommel in weiten Teilen keinesfalls eine Schlammlache war, sondern mit Gras bewachsen war.

OK.

  1. Sie unterstellen mir, mir sei nicht an einem „objektiven Bild“ gelegen. Doch wer entscheidet, was „objektiv“ ist. Diese Entscheidung ist immer subjektiv.

Da machen Sie es sich aber sehr leicht. Von dem, was ich Ihnen in einem über einstündigen Telefongespräch erzählt habe, finde ich eine einzige Angabe (zur Zahl der Wölfe), sonst nichts. Meinen Sie jetzt, ich sei beleidigt? Ja – bin ich. Sie haben mir eine Stunde Zeit gestohlen. Sie hätten mich ja ebenfalls wie Dommel oder Bathen wenigstens in Gänsefüßchen zitieren können. Aber ich glaube, meine Aussagen passten nicht zu der Botschaft, die Sie verbreiten wollten.

  1. Sicherlich gibt es auch Nutztierhalter, die mit dem Wolf „recht gut klarkommen“. Aber in Brandenburg zum Beispiel sehen sowohl der Landesbauernverband als auch der Bauernbund, die zusammen fast alle Landwirte dort vertreten, die Lage recht kritisch. Ähnlich ist es in Niedersachsen.

Freilich – diese Ansichten passen besser in Ihren Artikel als die von Sachsen.

  1. Die von Ihnen erwähnten Zahlen aus Brandenburg zu Totgeburten o.ä. und Rissen halte ich für die Debatte für weniger aussagekräftig als die Zahlen, die in dem Artikel stehen. Dass bisher wenige Nutztiere von Wölfen gerissen werden, wird durch die im Beitrag zitierten bundesweiten Angaben deutlich. Im Text steht aber auch, dass die Risszahlen steigen könnten, wenn bald in ganz Deutschland weit mehr Wölfe leben als zurzeit. Relevanter als die Brandenburger Zahlen sind Zahlen aus Regionen wie Grosseto, wo es immer schon Wölfe gegeben hat. Deshalb steht im Text, dass in Grosseto jedes Jahr 0,7 Prozent aller Schafe gerissen werden. Sie mögen das für unerheblich halten. Aber viele andere Menschen sehen das anders, wie ich im Text ausführe: „Die Weidehaltung steht schon lange aus ökonomischen Gründen unter Druck. Die Belastung durch den Wolf könnte ihr den Rest geben, befürchten viele.“ Eckehard Niemann von der AbL etwa spricht vom Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringen könnte. Deshalb ist es auch unerheblich, wie viele Kälber tot geboren werden. Diese Probleme gab es in der Weidehaltung schon immer. Jetzt kommt die Belastung durch den Wolf hinzu und könnte die Waage zum Kippen bringen.

Wie ökonomisch schmächtig muss eine Weidetierhaltung sein, die durch Verluste in Höhe von 0,7% durch Wölfe in Gefahr gerät! Und es erschließt sich mir auch nicht, warum Zahlen aus Grosseto (Italien) in einem Artikel über Wölfe in Deutschland aussagekräftiger sein sollen als Zahlen aus Brandenburg.

  1. Die Entschädigung von Rissen ist mangelhaft, wie im Text beschrieben.

Habe ich nicht bezweifelt – oder?

  1. Wenn Sie die rhetorische Frage „Ist nicht ein Toter einer zu viel?“ nicht positiv beantworten können, dann wundert mich das.

Eine rhetorische Frage erfordert keine Antwort – eben weil sie rhetorisch ist. Aber egal – ich habe wirklich keine Antwort darauf. Welche haben Sie denn?

  1. Nein, ich bin nicht dafür, alle Löwen etc. zu schießen. Aber im Text steht: „Doch Leute wie Bauer Dommel würden wohl nie Afrikanern verbieten, Löwen auf bestimmte Gebiete zu begrenzen, um Dörfer zu schützen.“

Ich sehe keinen logischen Zusammenhang zwischen Ihrer rhetorischen Frage und dem, was Bauer Dommel mit Löwen machen würde.

  1. Falsch ist Ihre Behauptung, dass ich es anstößig finde, wenn Leute für Naturschutz-Arbeit bezahlt werden. Ich habe das an keiner Stelle geschrieben. Ich habe aber darauf hingewiesen, dass eine wirtschaftliche Abhängigkeit die Äußerungen einer Person beeinflussen könnten. Das habe ich bei Herrn Bathen getan, aber auch bei Herrn Dommel („Es ist nicht auszuschließen, dass Dommel die Gefahr durch den Wolf etwas dramatisiert. Denn er ist vor allem gegen den Wolf, weil er ihn Geld kostet.“) Bei beiden nenne ich das aber nur als Möglichkeit, keinesfalls als Tatsache.

Gegenüber Dommel ebenso wie gegenüber Bathen ist das eine anzügliche, überflüssige Bemerkung. Bathen unterschwellig vorzuhalten, dass er an den Wölfen sozusagen verdient, wird nicht dadurch besser, dass Sie es mit Dommel ähnlich machen. Das ist einfach kein guter Journalismus.

  1. Herr Bathen wird ausführlich in dem Text zitiert. Als weitere Befürworterin der unbegrenzten Ausbreitung des Wolfs kommt Frau Soethe zu Wort. Deshalb ist der Vorwurf falsch, der Artikel sei „einseitig“.

Siehe oben: Auf den Duktus kommt es an.

  1. Eine abschließende Frage an Sie, Herr Wotschikowsky: Was würden Sie Eltern eines Kindes sagen, das von Wölfen gefressen wurde, für deren Verbreitung in Deutschland Sie kämpfen?

Ich „kämpfe“ überhaupt nicht. Ich stelle nur meinen Sachverstand zur Verfügung, wenn man mich danach fragt. Ja doch – ich kämpfe auch, weil den Wölfen ungleich mehr unangenehmes widerfahren ist als den meisten anderen hoch entwickelten Wildtieren. Wölfe haben Wiedergutmachung verdient. Aber warum soll ich verpflichtet sein, den Eltern eines von Wölfen gefressenen Kindes irgendetwas zu sagen? Muss etwa der Verkehrsminister den tausenden Hinterbliebenen von Verkehrsunfällen irgendetwas sagen? Ich bin nicht religiös – aber das Einzige, was mir einfallen würde, wenn es sein müsste, ist dies: Wenden sie sich bitte an den lieben Gott. Der hat Wölfe so gemacht, wie sie sind (Menschen übrigens auch).“

Ulrich Wotschikowsky


Quellen:

TAZ, www.taz.de, Artikel von Jost Maurin am 30.03.2017: „Er kommt uns näher, immer näher“, abgerufen am 12.4.2017, hier der Link!

Leserbriefe (Antworten) von Ulrich Wotschikowsky und Jost Maurin, mit freundlicher Genehmigung der Facebook-Seite „Wölfe-Fakten“, abgerufen am 12.4.2017, hier der Link!