Das hatten sich die Verantwortlichen sicherlich etwas anders vorgestellt. Über zwei Wochen hinweg hielt ein vermeintlich junger Wanderwolf Anfang bis Mitte März 2015 die Behörden und Bevölkerung in Niedersachsen auf den Zehenspitzen. Zeitgleich zur 10-Jahresfeier des NABU-Projektes „Willkommen Wolf!“ streift ein vom Umweltministerium als „verhaltensauffällig“ bezeichneter Wolf“ durch mehrere Landkreise, macht zwischendurch einen Abstecher in die Niederlande und hält eine ganze Region in Atem.
Seit in den letzten Monaten in der Region Oldenburg, Vechta und Diepholz mehr als 60 Schafe gerissen wurden und im Februar ein in der Dämmerung in der Nähe eines Waldkindergartens gesichteter Wolf bei Goldenstedt auffällig wurde, dürfte nun jedem klar geworden sein, dass die Rückkehr des Wolfes nach Deutschland so schnell keine Selbstverständlichkeit für die verängstigte Bevölkerung werden wird. Und die Frage muss erlaubt sein: Sind wir wirklich angemessen darauf vorbereitet?
Der Verlauf der Geschehnisse bis hin zum Einsatz von Distanznarkoseexperten, Hubschraubern und Spürhunden der Polizei – am Ende ohne Erfolg – beantwortet diese Frage weithin. Es wurde ziemlich deutlich, dass es künftig für ein Bundesland in dieser Republik nicht ausreichen wird, Schadensersatzregelungen mit Hilfe von Richtlinien zu treffen und das flächendeckende Sicherstellen von wissenschaftlichen Nachweisen der Anwesenheit von Wölfen, dem passiven Monitoring, zu organisieren sowie entsprechende Pläne zu veröffentlichen. So hilfreich diese Maßnahmen im ersten Schritt auch sein mögen, der Verlauf der Ereignisse in Niedersachsen beweist, dass wohl nicht mehr viel Zeit zur Vorbereitung weiterer Maßnahmen bleiben wird, soll die überwiegend positive Haltung in der Bevölkerung dem Wolf gegenüber kein Schaden erleiden.
Der Vorschlag des Niedersächsischen Umweltministers Stefan Wenzel (Grüne), eine bundesweite Meldestelle einzurichten (NDR, 8.März) wird von der stellvertretenden Vorsitzenden der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag, Gitta Connemann, noch übertroffen: „Niedersachsen sei derzeit offenbar nicht einmal in der Lage, nach vermehrten Wolfssichtungen zuständige Personen zu finden, die durch Vergrämungsaktionen mit Gummigeschossen dem Wolf wieder eine natürliche Scheu vor dem Menschen beibringen können. „Deshalb brauchen wir meines Erachtens einen „Bundes-Aktionsplan Wolf“, wird sie auf topagrar.com zitiert. Darüber hinaus fordert sie dort die Einrichtung einer bundesweiten „Task Force Wolf“.
Es scheint, als überschlage sich die Politik urplötzlich mit Vorschlägen – es bleibt jedoch der leise Eindruck, dass Hilflosigkeit mitschwingt.
Wäre das Ganze nicht so ernst, ist man schnell dazu geneigt, den Ablauf der Geschehnisse in Niedersachsen als Posse zu verstehen. Besser wäre es, die Verantwortlichen verstünden diese Gelegenheit als Generalprobe. In Deutschland gibt es heute – bereits hier scheiden sich die Expertengeister – zwischen 29 und 35 Wolfsrudel, zahlreiche Einzeltiere und einige Wolfspaare. In der Summe dürfte es sich heute um eine Anzahl von 250 bis 300 Wölfen handeln. Alle aktuellen Prophezeiungen gehen jedoch von einer mindestens dreistelligen Anzahl an Rudeln in der Zukunft aus. Je nach Quelle ist von 166 bis zu 441 Rudeln (mit jeweils rd. 8 Tieren) die Rede. Vergleichbare Vorfälle, wie die in Niedersachsen, dürften sich demnach in naher Zukunft häufen. Vor allem im Frühjahr, wenn der Wolfsnachwuchs sich auf die Suche nach eigenen Revieren oder Partnern aufmacht.
Die Erkenntnisse, die nun durch den jungen Wanderwolf in Niedersachsen vorliegen, dürften eigentlich niemanden überraschen – zumindest, was die Reaktionen des Wolfes betrifft. Über das niedersächsische Wolfsmanagement schütteln andererseits viele den Kopf. Die Gesellschaft zum Schutz der Wölfe (GzSdW) zum Beispiel stellt nach den Vorkommnissen in Niedersachsen die berechtigte Frage, ob das Wolfsmanagement dort wirklich Interesse daran hat, die Akzeptanz für die Wölfe in der Bevölkerung zu erhalten.
Für mich stellen die Ereignisse in Niedersachsen den Startpunkt dieses Blogs dar, auf dem ich meine Anmerkungen künftig in unregelmäßigen Abständen posten werde. Ich möchte damit Diskussionbeiträge leisten. Kritisch, unideologisch, in der Sache hilfreich, manchmal auch prognostizierend sollen meine Beiträge sein. Aber entscheiden Sie bitte selber…ich wünsche Ihnen viel Spaß bei der Lektüre!