Ein Bündnis aus Tierhaltern, Landwirten, Jägern und Naturschutz fordert anlässlich der Umweltministerkonferenz in Bremen mehr gesellschaftliche Zusammenarbeit beim Thema Wolf. Die Weidetierhaltung und der Artenschutz dürften nicht weiter gegeneinander ausgespielt werden, heißt es. „Wir lehnen jede Aufweichung des Artenschutzrechts ab, solange es dazu Alternativen gibt“, ist in dem offenen Brief des Bündnisses zu lesen. Der Brief im Wortlaut:
„Sehr geehrte Ministerinnen und Minister aus Bund und Ländern,
der Wolf beunruhigt Teile der Bevölkerung, insbesondere auf dem Land. Er stellt Weidetierhalter vor neue Herausforderungen, die teils beachtlich sind.
Der Wolf ist Teil der Natur wie der Mensch und jedes andere Tier. Seine Rückkehr nach Deutschland wird von den Bürgern mehrheitlich begrüßt. Sein Schutz ist Ziel des internationalen, europäischen sowie deutschen Artenschutzrechtes. Dies sind Tatsachen.
Es ist an der Zeit, die Probleme anzugehen, die angesichts der genannten Tatsachen aus der Rückkehr des Wolfes folgen. Weidetierhaltung und Naturschutz dürfen nicht weiter gegeneinander ausgespielt werden.
Es muss hier und jetzt alles Notwendige getan werden, um das Zusammenleben zwischen Wolf, Weidetier und Mensch möglichst konfliktarm zu gestalten. Dafür sollten alle betroffenen Akteure zusammenarbeiten und zwar unabhängig von ihren langfristigen Zielsetzungen zum Wolf.
Das politische Handeln darf nicht länger von Zielkonflikten gelähmt werden. Auf kurz- und mittelfristiger Ebene gibt es gemeinsame Ziele: Der Schutz von Weidetieren vor dem Wolf und der Ausgleich der wirtschaftlichen Nachteile für die Weidetierhaltung. Diese Ziele können wir bereits heute gemeinsam im bestehenden Rechtsrahmen erreichen.
Das erfordert, eine Praxis aufzubauen, in der konsensfähiger Herdenschutz flächendeckend angewendet wird und problematische Wölfe entnommen werden, die empfohlene, sorgfältig umgesetzte Herdenschutzmaßnahmen mindestens zweimal überwinden und Nutztiere töten oder verletzen.
Die wolfsbedingten zusätzlichen Investitions- und Erhaltungskosten des Herdenschutzes sind vollständig zu fördern. Ebenso sind die direkten sowie indirekten Schäden durch Wolfsübergriffe zu erstatten.
Die Anforderungen an den Herdenschutz müssen sich an der landwirtschaftlichen Praxis orientieren und standortangepasst sein. Eine Aufrüstungsspirale darf es nicht geben. Es muss anerkannt werden, dass es Haltungsformen und Gebiete gibt, in denen Weidetiere mit derzeit bekannten Maßnahmen und vertretbarem Aufwand nicht ausreichend geschützt werden können. Für diese Gebiete muss aktiv nach praxistauglichen Lösungen gesucht werden, vorrangig durch Innovationen im Herdenschutz.
Die Entnahme von problematischen Wölfen ist in den Bundesländern klar zu regeln. Dabei sind Vorgehen und Zuständigkeiten zu definieren. Ein bundesweit abgestimmtes Verfahren ist erforderlich, damit die Länder rechtssichere Umsetzungsregelungen schaffen können.
Zudem ist die Tierschutz-Hundeverordnung so anzupassen, dass der bestimmungemäße Einsatz von Herdenschutzhunden rechtssicher wird. Weidetierhaltung und Artenschutz sind untrennbar.
Die Ausschöpfung des geltenden Rechts in der Praxis sollte unbedingten Vorrang vor umfassenden Änderungen haben. Wir lehnen jede Aufweichung des Artenschutzrechts ab, solange es Alternativen gibt. Wir laden Sie und alle betroffenen Interessensgruppen ein, gemeinsam mit uns an pragmatischen Lösungen für das Zusammenleben zwischen Weidetierhaltung und Wolf zu arbeiten und stehen für weitere Gespräche zur Verfügung.“
Unterzeichner
Bundesverband Berufsschäfer (BVBS), Deutscher Grünlandverband (DGV), Deutscher Tierschutzbund (DTSchB), International Fund for Animal Welfare (IFAW), Naturschutzbund Deutschland (NABU), Ökologischer Jagdverband Deutschland (ÖJV), Vereinigung der Freizeitreiter – und Fahrer in Deutschland (VFD), Arbeitsgemeinschaft Herdenschutzhunde (AGHSH), WWF Deutschland.
Wolfsmonitor-Kommentar
Das war wohl nichts. Das Schreiben klingt in seinen Aussagen inkonsistent, verstörend und wirkt, als ob von den beteiligten Umwelt- und Naturschutzverbänden gerade eine Rolle rückwärts gemacht wird.
Ein Wolf, der zweimal Herdenschutzmaßnahmen überwindet, ist demnach ab sofort für diese Vereine ein „Problemwolf“? Und das, obwohl wenige Zeilen später festgestellt wird, dass es angeblich „Haltungsformen und Gebiete gibt, in denen Weidetiere mit derzeit bekannten Maßnahmen und vertretbarem Aufwand nicht ausreichend geschützt werden können?“ Ich fordere also auf der einen Seite etwas, was auf der anderen Seite als gar nicht einlösbar erachtet wird?
Es ist hier sehr offensichtlich, dass nicht jedes Zweckbündniss sinnvoll zu sein scheint, wenn dadurch relevante Maßstäbe verwässert werden. Man hätte im „Bündnis“ vermutlich besser auf einige der neun „Partner“ verzichten sollen, als solch einen verstörenden Quatsch in die Welt zu setzen!
Maßstab dafür, ob man es wirklich mit einem „Problemwolf“ zu tun hat, der „entnommen“ werden kann, muss weiterhin die individuelle Betrachtung des Einzelfalls mit ernsthaften Schäden sein, wenn sie gesamtwirtschaftliche Ausmaße annehmen oder die Existenz des Nutztierhalters bedrohen. Und nichts anderes!
Außerdem muss die Voraussetzungen erfüllt sein, dass keine erfolgsversprechendere Mittel (einschließlich Hirtenhunde) zur Verfügung stehen, bzw. eingesetzt werden können.
Wenn man demgemäß auf eine „Aufrüstungsspirale“ verzichten will, darf man auch künftig keinen „Mindestschutz“ mehr definieren, sondern muss gleich den „Maximalschutz“ einfordern, was für alle noch teurer werden dürfte. Über weniger als den 1,20 Meter hohen Elektrozaun mit zusätzlichem Flatterband und 2 Herdenschutzhunde für die ersten 100 Nutztiere sowie einen weiteren Herdenschutzhund je 100 weitere Nutztiere brauchen wird dann nicht zu reden.
Der oben aufgezeigte Maßstab (und noch viel mehr) ist übrigens Inhalt der gültigen FFH-Richtlinie, die nun scheinbar ausgerechnet von diesen neun Verbänden sehenden Auges ausgehölt werden soll?
Klingt wie ein klassisches Eigentor!
Quelle: NABU-Pressestelle, 8.11.2018
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