3 Antworten von Dr. Frank Krüger – Wolfsmonitor

3 Antworten von Dr. Frank Krüger

Dr. Frank Krüger ist Mitarbeiter im Niedersächsischen Ministerium für Umwelt, Energie und Klimaschutz (MU) und dort unter anderem mit Fragestellungen des Wolfsmanagements befasst. Nachdem der NDR Ende Oktober irrtümlicherweise die Besenderung der Goldenstedter Wölfin ankündigte, war er es, der mit einer umfangreichen E-Mail-Aktion das entstandene Gerücht aus der Welt schaffte. Wolfsmonitor hatte nun Gelegenheit zu einem Interview mit ihm.

WOLFSMONITOR: Herr Dr. Krüger, was ist unter der Besenderungsaktion von Wölfen, die kürzlich in einem NDR-Bericht zur Sprache kam und die im ersten Halbjahr 2017 in Niedersachsen durchgeführt werden soll, eigentlich zu verstehen? Und warum wird die sogenannte Goldenstedter Wölfin nicht Bestandteil dieser Aktion sein?

Als Zuschauer der NDR-Sendung konnte man tatsächlich annehmen, dass weiter an eine Besenderung der Fähe gedacht sei. Das war aber aufgrund der Entwicklung des Rissgeschehens zu dem Zeitpunkt schon lange nicht mehr der Fall. Es waren seit langer Zeit keinerlei besondere Fälle mehr aufgetreten, Risse von Nutztieren hatten sich nur noch auf ungeschützten Weiden ereignet.

Dazu, ob im Rahmen eines Forschungsprojekts versucht wird, die Barnstorfer Fähe, auch Goldenstedter Wölfin genannt, auch mit einem Sender auszustatten oder nicht, habe ich mich nicht geäußert, da ich für die geplante Studie keine Vorfestlegung treffen kann. Fest steht nur, dass eine Besenderung dieses Tieres zu Zwecken des Wolfsmanagements – nämlich der Verfolgung des Bewegungsmusters im Hinblick auf eine mögliche Gefahrenabwehr, des detaillierten Nachweises von möglichem Fehlverhalten und zum gezielten Aufsuchen für Vergrämungsmaßnahmen – inzwischen verworfen ist und nicht stattfinden wird. Verhaltensauffälligkeiten sind diesem Tier kaum mehr zu unterstellen, es lässt sich durch entsprechende Herdenschutzmaßnahmen hinreichend effektiv daran hindern, Nutztiere zu reißen.

(siehe hierzu auch: http://www.der-wolf-in-niedersachsen.de/wp-content/uploads/KeineBesenderungBarnstorferF%C3%A4he.pdf)

Das niedersächsische Umweltministerium plant übrigens keine „Besenderungsaktion“, sondern eine Studie zu Habitatansprüchen und Habitatnutzung der Wölfe in Niedersachsen, die einen Beitrag zur Wolfsforschung in Deutschland leisten soll. Im Rahmen dieses Forschungsvorhabens ist es geplant, Wölfe aus verschiedenen Rudeln mit Halsbandsendern zu versehen, die uns detaillierte Informationen über deren Verhalten liefern können. Dabei möchte ich eins klarstellen: die Besenderung dient der Forschung, nicht dem Management einzelner Tiere. Die Einzeldaten, die dabei gewonnen werden, werden äußerst vertraulich behandelt, um jedweden Missbrauch durch Dritte ausschließen zu können. Forschungsergebnisse werden der Öffentlichkeit selbstverständlich zur Verfügung gestellt, allerdings so, dass niemand sie als Grundlage für eigene Nachstellungsversuche nutzen kann. Selbstverständlich bleiben die Sendefrequenzen der Einzeltiere geheim.

WOLFSMONITOR: In letzter Zeit gab es im Raum Cuxhaven einige Übergriffe des dort ansässigen Wolfsrudels auf Rinder. Wie ist der Sachstand dort und wie schätzen Sie die Situation dort ein, besonders nachdem bekannt wurde, dass ein Leittier des Rudels illegal abgeschossen wurde? Wird es von Ihrer Seite in Abstimmung mit dem Wolfsbüro beim Niedersächsischen Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) besondere Maßnahmen für die Nutztierhalter in der Region Cuxhaven geben?

Im Umfeld von Lamstedt im Landkreis Cuxhaven gab es wiederholt Übergriffe durch Wölfe auf Kälber (auch größere Kälber waren betroffen) und in zwei Fällen auch auf ausgewachsene Rinder.

Die Situation wird durch das Wolfsbüro des NLWKN mit besonderer Aufmerksamkeit verfolgt, da die Sorge vor einer Gewöhnung (bedingte Appetenz auf Rinder) besteht.

Der NLWKN hat kürzlich eine Informationsveranstaltung für Rinderhalter in Lamstedt durchgeführt. Durch Ausweisung einer Förderkulisse für Rinderhalter wurden aktuell neue Fördermöglichkeiten für Präventionsmaßnahmen für Rinderhalter im Bereich zwischen Cuxhaven und Stade geschaffen.

(siehe hierzu auch: http://www.nlwkn.niedersachsen.de/aktuelles/pressemitteilungen/wolfsschutz-fuer-rinderhalter-an-der-unterelbe-147627.html)

In diesem Bereich empfiehlt der NLWKN, besonders gefährdete Rinder – insbesondere Kälber und Jungrinder in Weidehaltung, in einem engeren Umfeld um das Rudelterritorium alle Rinder wolfsabweisend einzuzäunen. Weitere Ortstermine sind in Vorbereitung, um betroffene und gefährdete Betriebe zu besuchen und, ggf. unterstützt durch externe Fachleute, mit den Tierhalterrinnen und Tierhaltern über die örtlich umsetzbaren Möglichkeiten zu sprechen.

Die möglichen Auswirkungen des Abschusses des Elterntiers auf die Rudelstruktur können sehr vielfältig sein. Untersuchungen aus den USA weisen darauf hin, dass die Zerstörung von Rudelstrukturen durchaus auch zu einem Anstieg von Nutztierrissen führen kann. Wie sich das verbliebene Rudel tatsächlich verhalten wird, ist zum jetzigen Zeitpunkt unklar. Daher ist dort eine Verstärkung des Monitorings vorgesehen, um nähere Erkenntnisse über die Folgen des illegalen Abschusses zu erlangen.

WOLFSMONITOR: Es war vor einiger Zeit der Presse zu entnehmen, dass für das Umweltministerium zwei Gutachten erstellt werden sollen. In der ersten Studie will man die Wirksamkeit von Herdenschutzeseln untersuchen, mit der zweiten Studie soll ermittelt werden, wie vielen Wölfen Niedersachsen überhaupt Platz bieten kann. Und obwohl die Sinnhaftigkeit beider Themenstellungen (auch auf Wolfsmonitor) infrage gestellt wurde, wäre es interessant zu wissen, wann mit den Ergebnissen der Studien zu rechnen ist. Darüber hinaus würde es sicher viele Leser interessieren, wann – nach dem Wolfskonzept aus dem Jahr 2010 – der erste Wolfsmanagementplan für Niedersachsen veröffentlicht wird.

Lassen Sie mich zu den beiden Themen getrennt antworten:

Zunächst zur „Eselstudie“; sie geht darauf zurück, dass von Schafhalterseite aus Privatinitiative Esel als Herdenschutztiere eingesetzt wurden, hinreichend klare Erfahrungen über deren Wirksamkeit aber nicht vorlagen – und auch noch nicht vorliegen. Das Umweltministerium hat im Rahmen des Wolfsmanagements in Niedersachsen ein großes Interesse daran, dass alle wirksamen Präventionsmaßnahmen zum Einsatz kommen. Soweit es möglich ist, soll auch die Entwicklung und der Einsatz bestmöglicher situationsangepasster Lösungen unterstützt werden. Daher die Entscheidung, im Rahmen einer experimentellen Studie zu klären, wie wirksam Herdenschutz durch Esel ist. Die „Eselstudie“ ist inzwischen in der Umsetzungsphase. Es wurden vom Land zwei Tiere dafür angeschafft, die von einem Schäfer in seinen Herden eingesetzt werden. Weitere private Tierhalter sind einbezogen. Die Untersuchungen werden wissenschaftlich begleitet. Mit belastbaren Ergebnissen rechnen wir nicht vor Ablauf des Jahres 2017.

Die zweite von Ihnen angesprochene Studie, in der es um die Habitatansprüche und Habitatnutzung der Wölfe in Niedersachsen geht, habe ich bereits in meiner ersten Antwort erwähnt. Es kann nicht Gegenstand einer auf ein Bundesland beschränkten Studie sein, Aussagen über eine Zielgröße für die Wolfspopulation in diesem Bundesland zu treffen. Die mitteleuropäische Flachlandpopulation des Wolfes ist nur gesamthaft zu betrachten. Aussagen über Populationsgröße, Erhaltungszustand, Einstufung in der Gefährdungsstufe und Möglichkeiten zur Steuerung sind nach Einschätzung unseres Hauses – in Übereinstimmung mit dem Bund und der EU-Kommission – nur für die gesamte Population möglich. Wir gehen davon aus, dass nach Besetzung aller potentiellen Wolfsreviere die Gesamtzahl der Wölfe in Niedersachsen nicht mehr anwachsen wird, sondern sich durch Selbstregulation auf einem mehr oder weniger konstanten Niveau einpendeln wird.

Was Sie als „Wolfsmanagementplan“ bezeichnen, ist eine Neufassung des niedersächsischen Wolfskonzeptes. Diese ist seit geraumer Zeit in Arbeit, wird gemeinsam mit dem Arbeitskreis Wolf, der als Beratergremium für die Landesregierung fungiert, erarbeitet. Im so genannten AK-Wolf sind die verschiedensten von der Rückkehr des Wolfs betroffenen gesellschaftlichen Gruppen vertreten: Verbände der Tierhalter, Natur- und Tierschutz, Tourismus, Forst- und Kommunalverwaltung. Das nächste Treffen findet Ende diesen Monats statt, Ziel ist immer noch die Veröffentlichung des überarbeiteten Konzepts bis Ende diesen Jahres. Das niedersächsische Wolfskonzept wird dann auf der Seite http://www.der-wolf-in-niedersachsen.de für jedermann zugänglich sein, die Veröffentlichung wird natürlich auch durch eine entsprechende Pressemitteilung bekannt gegeben.

Vielen Dank für das Interview, Herr Dr. Krüger!