In der Bundesratssitzung am 19. Oktober 2018 soll Bewegung in den Umgang mit „Problemwölfen“ kommen. Im Moment scheitern viele gefühlt notwendige legale Abschüsse von Wölfen, die entweder viele oder oft Nutztiere reißen, an § 45, Abs. 7, Nr. 1 Bundesnaturschutzgesetz …
(https://www.gesetze-im-internet.de/bnatschg_2009/45.html). Darin heißt es, dass das Töten („Entnahme“) eines Wolfes nur ausnahmsweise geschehen darf. Unter anderem muss ein erheblicher landwirtschaftlicher… oder sonstiger erheblicher wirtschaftlicher Schaden vorliegen.
Die übrigen Voraussetzungen spielen im Moment keine Rolle im Hinblick auf die Änderung des genannten Paragraphen, die die niedersächsische Landesregierung im Bundesrat auf Vorschlag des niedersächsischen Umweltministers Olaf Lies beantragen wird.
Sie wollen den „erheblichen“ durch einen „ernsten“ Schaden ersetzt wissen. Den „ernsten“ Schaden findet man in der Formulierung des Art.16, Abs. 1 b) FFH-Richtlinie (https://www.bfn.de/themen/artenschutz/regelungen/ffh-richtlinie/abb-extras-nicht-im-menue/auszug-aus-der-ffh-richtlinie.html#c8722).
Richtlinien der EU sind keine Gesetze, sondern müssen in nationales Recht umgewandelt werden, damit sie rechtliche Wirkung entfalten können. Das ist mit dem Bundesnaturschutzgesetz im Wesentlichen geschehen.
Nun verwundert es, dass das niedersächsische Umweltministerium versucht, spitzfindig die deutsche Sprache zu umgehen. Bedauerlicherweise ist es mit der Juristerei nicht so einfach, wie mit dem Duden. Die Frage, ob die Bedeutung von „erheblichen“ Schaden und „ernsten“ Schaden unterschiedlich ist, hat der Fachanwalt für Verwaltungsrecht (Naturschutzrecht), Herr Dr. Marcus Lau, treffend erläutert:
…„begrifflich ist da in der Tat ein Unterschied, inhaltlich aber nicht. Das resultiert zum einen daraus, dass § 45 VII BNatSchG ohnehin im Lichte des Art. 16 I FFH-RL auszulegen ist. Zum anderen ist für beide Vorschriften allgemein anerkannt, dass sie im Lichte des Grundrechtsschutzes (nach GG bzw. GRCh) verstanden werden und eine Interessenabwägung im Einzelfall eröffnen müssen. Eine Gesetzesänderung ergäbe folglich keinen Mehr- bzw. – je nach Sichtweise – Minderwert.“
Die Vorsitzende Richterin des Bayrischen Obersten Landesgerichts a.D., Almuth Hirt, ergänzt aus ihrer Sicht, wie folgt:
„In der FFH- RL heißt es „ernste“ Schäden, im BNatSchG ist von „erheblichen Schäden“ die Rede. Herr Lies will daraus einen Unterschied herleiten, der aber m. E. nicht besteht.
Die Krux ist, dass ein erheblicher Schaden so groß sein muss, dass er die Existenz bedroht. Das kann er wiederum natürlich nur bei einem Haupterwerbs-Nutztierhalter.
Umweltminister Lies glaubt, dass er die Hürde des erheblichen Schadens aufgrund einer Wortspielerei die Schärfe der Existenzbedrohung nehmen kann, damit ein Wolf, der eben zu viele oder zu oft Nutztiere reißt, schneller entnommen werden könne – eben auch bei Nebenwerbs- und/oder Hobby-Nutztierhaltern.
Lies verkennt allerdings, dass Artenschutz eine übergeordnete Bedeutung hat. Dem trägt § 45, Abs.7, Nr. 1 Rechnung, indem er eben einen klaren Unterschied macht, zwischen Haupterwerbs Nutztierhaltung und Nebenerwerbs oder gar Hobby Nutztierhaltung.
Man würde das von der EU – unter der Beteiligung von Deutschland natürlich – erarbeitete Schutzziel unterlaufen, wenn man glauben würde, dass im Ergebnis „erheblich“ und „ernst“ zwei unterschiedliche inhaltliche Bedeutungen hätten.
Folgerichtig ergänzt die Vorsitzende Richterin des BayOblG a.D. Hirt:
„ Ich habe mir noch die Mühe gemacht und mir die englische, die spanische und die französische Fassung des Art 16 FFH-RL angesehen. Englisch heißt es „serious damage“, im Spanischen „danos graves“ und im Französischen „dommages important“. Übersetzt werden „serious“, „graves“ und „important“ mit schwer, schwerwiegend, gefährlich. Die Umsetzung im BNatSchG in „erheblich“ stimmt damit überein.“
Herr Dr. Lau ist der führende Kommentator des § 45 Bundesnaturschutzgesetz in dem Kommentar von Frenz/Müggenborg. Frau Hirt ist hat sich auf das Thema Wolf, Wolfshybriden, Jagdgesetze für die Deutsche Juristische Gesellschaft (Verein, dem 140 Juristen angehören) spezialisiert und ist seit gut 30 Jahren Mitautorin eines Kommentars zum Tierschutzgesetz.
Aber als ob dies noch nicht genug ist, hat die zuständige Abteilung des Bundesumweltministeriums mir bestätigt, dass sie dieselbe Rechtsauffassung vertreten wie wir.
Passend dazu hat ganz aktuell der EU-Umweltkommissar Karmenu Vella erneut bestätigt, dass an dem Schutzstatus des Wolfes in der EU keine Änderungen vorgenommen werden. Immer wieder betont die EU-Kommission, dass der Wolf zum Naturerbe gehört und demgemäß streng geschützt ist und bleibt.
Es geht kein Weg daran vorbei, gegen den Wolf hilft nur ausreichender Schutz. Es zeugt leider immer wieder von Unkenntnis, wenn führende Politiker einen Wolf als Problemwolf bezeichnen, nur weil er Nutztiere reißt. Der Nutztierschutz hat eine ca. 5.000 Jahre währende Tradition. Die türkischen Schäfer gelten als die Erfinder. Seit die Jäger sesshaft und zu Bauern wurden, gibt es Herdenschutz!
Zum Autor: Christian Berge ist Volljurist und hat in der Mitte seines Lebens entschieden, sich nur noch mit Wölfen und Wolfhunden zu beschäftigen. Er hält seit 13 Jahren Vorträge über Wölfe und klärt umfassend über sie auf. Er lebt mit 9 Wolfshunden direkt neben 3 wilden Wolfsfamilien. Er hat die Rückkehr der deutschen Wölfe von Beginn an begleitet. Berge steht im guten Kontakt mit den nationalen und internationalen Wolfsforschern. Er geht täglich mit seinen Wolfshunden im Gebiet der wilden Wölfe spazieren.
Für Rückfragen an den Autor nutzen Sie bitte folgende E-Mail-Adresse: nuno@online.de
Hinweis: Gastbeiträge auf Wolfsmonitor geben die Meinung des jeweiligen Verfassers und nicht automatisch die Meinung der Redaktion wieder. Sie sollen in erster Linie informieren und zur Debatte anregen.