Wieviel Wölfe umfasst der „günstige Erhaltungszustand“? – Wolfsmonitor

Wieviel Wölfe umfasst der „günstige Erhaltungszustand“?

Der Freundeskreis freilebender Wölfe veröffentlichte nun auf seiner Facebook-Seite die Antwort des LUPUS-Instituts auf die Nachfrage der Fraktion DIE LINKE im Bundestag zu den Kriterien eines günstigen Erhaltungszustandes beim Wolf. Es ging dabei um die Feststellung des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags: „Wildbiologen gehen erst von einem günstigen Erhaltungszustand aus, wenn eine längerfristige Population von 500 Exemplaren einer Art gewährleistet ist.“ Diese 500 Exemplare einer Art werden aber durchaus kritisch gesehen.

Hier die Antwort:
Der günstige Erhaltungszustand ist kein biologischer, sondern ein rechtlicher Begriff, der in der FFH-Richtlinie verwendet wird. Da sich die FFH-RL auf ein sehr breites Artenspektrum von Invertebraten bis zu Wölfen und Bären bezieht, hat die EU Kommission Fachleute damit beauftragt, den günstigen Erhaltungszustand für Großkarnivoren (Braunbär, Wolf, Luchs und Vielfraß) zu definieren.

Das Ergebnis waren die „Guidelines for population level management plans for large carnivores in Europe“ von Linnell et al. (2008).

Darin wird sich intensiv mit dem Populationsbegriff und einer Operationalisierung des Begriffes „Günstiger Erhaltungszustand“ für Großkarnivoren beschäftigt.

Eine Population ist danach in einem günstigen Erhaltungszustand, wenn alle folgenden acht Bedingungen erfüllt sind:

1 – Sie ist stabil oder nimmt zu.
2 – Sie hat genügend geeigneten Lebensraum zur Verfügung.
3 – Dieser Lebensraum wird seine Qualität beibehalten.
4 – Die Größe der günstigen Referenzpopulation (Favorable Reference Population, FRP) ist erreicht (in Anlehnung an die Rote Liste Kriterien D oder E der IUCN
5 – Die Population ist so groß wie oder größer als zu dem Zeitpunkt, als die Direktive in Kraft trat.
6 – Das geeignete Referenzgebiet (Favorable Reference Range, FRR) ist besetzt.
7 – Ein Austausch von Individuen innerhalb der Population bzw. zwischen Populationen erfolgt oder wird gefördert (mind. ein genetisch effizienter Migrant per Generation).
8 – Ein effizientes und robustes Monitoring ist etabliert.

In der öffentlichen Diskussion wird dies leider oft auf den Punkt 4 reduziert (und auch dieser wird noch verkürzt).

Eine günstige Referenzpopulation muss folgende Kriterien erfüllen:

1. Die Population muss mindestens so groß sein wie zu dem Zeitpunkt, als die Habitatdirektive in Kraft trat. UND 2. Sie muss mindestens so groß sein (vorzugsweise deutlich größer) wie die MVP (Minimum Viable Population) nach den IUCN-Kriterien D (>1000 geschlechtsreife Tiere) ODER E (Aussterbewahrscheinlichkeit <10 % innerhalb von 100 Jahren). UND 3. Die Population ist Gegenstand ständigen robusten Monitorings.

Die mind. 1000 geschlechtsreifen (!) Individuen stammen also aus dem Rote Liste Kriterium D der IUCN. Danach sind mindestens 1000 geschlechtsreife Individuen notwendig um eine Population als „least concern“ (nicht gefährdet) einschätzen zu können. Wenn diese Population so mit einer benachbarten Population verbunden ist, dass es ausreichende Zuwanderung gibt, um einen demographischen Einfluss zu haben, so wären nur 250 geschlechtsreife Individuen notwendig.

Alternativ zum IUCN-Kriterium D kann auch das Kriterium E verwendet werden, dass die Aussterbewahrscheinlichkeit ausdrückt. Wenn diese unter 10% liegt (was viele Populationsbiologen als ein zu hohes Risiko ansehen), kann eine Population als „nicht gefährdet“ eingestuft werden. Dafür ist eine aufwendige Populationsmodellierung notwendig.

Für die meisten Populationen gibt es hierfür nicht genügend robuste Daten, so dass in der Regel auf das Kriterium D zurück gegriffen wird.

Abschließend sei noch erwähnt, dass die Beurteilung des Erhaltungszustandes für die FFH-Berichtspflicht nach anderen Kriterien erfolgt, als die Beurteilung des Gefährdungszustandes nach IUCN Rote Liste.

In der FFH-Berichtspflicht wird neben der Populationsgröße und den Zukunftsaussichten der Population auch das geeignete Referenzgebiet (und in wie weit dieses besetzt ist) sowie die Gefährdungsfaktoren für eine Beurteilung des Erhaltungszustandes mit heran gezogen.

Mit besten Grüßen,
Ilka Reinhardt


Quelle:  Facebook-Seite des Freundeskreises freilebender Wölfe, abgerufen am 16.11.2018, hier der Link!