Heiko Drawe, stellvertretender Sprecher der Landesarbeitsgruppe Wolf im NABU Niedersachsen (LAG Wolf), meint zur erneut geplanten Besenderung der Goldenstedter Wölfin:
„Mit der Besenderung von Wölfen im Rahmen des Wanderwolfprojekts wurden viele wichtige Erkenntnisse gewonnen und wissenschaftliche Daten gesammelt. Ebenso wichtig, wie die wissenschaftliche Auswertung, sind die erhaltenen Informationen auch für die Öffentlichkeitsarbeit, wenn es zum Beispiel darum geht, der Bevölkerung darzustellen, dass heranwachsende Wölfe tatsächlich aus dem elterlichen Revier abwandern und Wölfe in einem festen Territorium leben, das etwa die Größe einer Großstadt wie Hannover, Frankfurt oder München hat.
Nun hat der Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) verkündet, dass die sogenannte Goldenstedter Wölfin besendert werden soll. Dieser Vorstoß kam für viele überraschend, war es in der Vergangenheit doch recht ruhig um diese Wölfin geworden.
Aber vermutlich brauchen die Medien einen neuen Bösewicht und da nach dem Abschuss des Munsteraner Jungwolfs MT6 („Kurti“) im Frühjahr kein anderer Wolf in Niedersachsen auffiel, reicht offensichtlich der Fund eines gerissenen Schafes, um das Thema wieder aufzuwärmen.
Und so stellt sich mir die Frage, ob es sich bei der für das erste Halbjahr 2017 geplanten Besenderung um die Umsetzung eines lang geplanten Projektes nur wieder um eine Ankündigung handelt, der keine Taten folgen, oder ob es Aktionismus nach einem NDR-Bericht über den Riss eines Schafes nahe eines Wohngebäudes ist?
Ich kann die Aufregung um ein gerissenes und in einem halboffenen Unterstand gefundenes Schaf nicht verstehen. Darum ist mir auch nicht klar, ob es sich bei der Besenderung um ein rein wissenschaftliches Projekt oder um einen Eingriff gemäß dem niedersächsischen Wolfskonzept handelt, der bei der Bestimmung von Verhaltensauffälligkeiten helfen soll.
Um Verhaltensauffällgkeiten zu ergründen, wurden bekanntlich im Sommer 2015 zwei Wölfe des Munsteraner Rudels besendert, doch leider gab es hier technische Probleme mit den Sendern und auch über die Auswertung der Daten gab es vielseitige Diskussionen. Aber bei dieser Besenderungsaktion hatte man großes Glück, denn neben den beiden Alttieren bestand das Rudel zu der Zeit aus 6 Jährlingen des Wurfes 2014. Man erwischte tatsächlich den Jährling, der sich im Nachhinein als verhaltensauffällig darstellte.
Im folgenden Winterhalbjahr gab es mehrere Meldungen über Nahbegegnungen, bei denen ein Wolf mit einem Senderhalsband beschrieben wurde, der später anhand der Sendedaten auch als der Wolf MT6 identifiziert werden konnte.
Ohne dieses Sendehalsband hätte es sicher nur Meldungen über irgendeinen Wolf gegeben, der sich immer wieder Hunden nähert und dabei keinerlei Respekt vor den dabei anwesenden Menschen zeigt. Wie hätten die Behörden und der Minister dann reagiert? Hätte man weiter abgewartet und riskiert, dass bei solch einer Nahbegegnung zwischen Wolf und Hund auch mal ein Mensch zwischen die Fronten gerät? Und was hätte man getan, wenn es zu einem solchen Zwischenfall gekommen wäre, man aber den Wolf nicht eindeutig hätte identifizieren können? Hätte man dann vielleicht sogar alle Wölfe in dem betroffenen Gebiet vorsorglich abgeschossen?
Zum Glück kam es anders, weil der auffällige Wolf schon besendert war und so wäre die Besenderung der Goldenstedter Fähe sicher auch wichtig, um Verhaltensauffälligkeiten erkennen zu können.
Auch wenn es bei dieser Wölfin eher um vermehrte Nutztierrisse, als um Nahbegegnungen mit Menschen geht. Das Wolfsbüro gibt an, dass im LK Diepholz bis Ende Mai, 71 Nutztiere getötet und 41 verletzt wurden. Dabei wurde zweimal ein 1,40 Meter hoher Zaun, der dem Grundschutz entsprach, überwunden und sechsmal wurden marode Maschendrahtzäune von 1,60 Meter bis 2,0 Meter Höhe überwunden.
Ob die Anzahl der Nutztierrisse oder die Tatsache, dass ein löchriger Zaun für einen Wolf kein Hindernis ist, bereits eine Auffälligkeit darstellt, darüber streiten Experten ebenso wie Wolfsfreunde und Wolfsgegner.
Doch ich denke, es wäre von großem Nutzen, diese Wölfin zu besendern, denn so könnte man sicher viele Mythen und Falschmeldungen widerlegen. Allerdings hätte man die Besenderungsaktion schon nach den ersten Auffälligkeiten durchführen müssen und zwar unabhängig von dem kaum nachvollziehbaren Gerangel um Kompetenzen und Genehmigungen, wird es sicher um einiges schwerer werden, eine Einzelwölfin einzufangen, als ein unbestimmtes Tier aus einem Rudel.
Aber es wäre ja auch – wie gesagt – nicht das erste Mal, dass das MU/NLWKN ihren Ankündigungen keine Taten folgen lassen würde, schließlich war ja geplant, ein Wolf pro Rudel in Niedersachsen zu besendern.
Bei der allgemeinen, wissenschaftlichen Besenderung von Wölfen bin ich – unabhängig von den Erfolgsaussichten dieses Mammutprojektes – etwas zwiegespalten, denn zum einem würde man sicher viele neue Daten und Erkenntnisse gewinnen, zum anderen denke ich aber auch an die Zukunft und da stellt sich mir die Frage, ob die gewonnenen Daten und Bewegungsprofile dem Wolf nicht auch zum Verhängnis werden könnten, sollte der Wolf eines Tages tatsächlich bei uns bejagt werden.
Niemand kann derzeit sagen, ob und wann eine jagdliche Regulierung erfolgen wird, doch meiner Auffassung nach sollte man sehr genau prüfen, wer Zugang zu solchen Sendedaten bekommt und wer künftige Besenderungsaktionen überhaupt durchführt oder in Auftrag gibt.“
Heiko Drawe
Hintergrund: Achim Stolz vom Niedersächsischen Landesbetrieb für Naturschutz (NLWKN) äußerte in einem Fernsehbeitrag mit dem Titel „Wie umgehen mit Problemwolf in Diepholz?“ am 26. Oktober gegenüber dem NDR, dass das Projekt, die Goldenstedter Wölfin zu besendern, nun in der ersten Hälfte des Jahres 2016 starten soll. Bereits im November 2015 wies Umweltminister Stefan Wenzel diese Besenderung an.