Der Koalitionsvertrag und die Folgen für Deutschlands Wölfe – Wolfsmonitor

Der Koalitionsvertrag und die Folgen für Deutschlands Wölfe

Ich will hier gar nicht erst den Versuch wagen, die ganzen 179 Seiten des Koalitionsvertrags zu bewerten. Das haben bereits Leute getan, die politisch versierter sind als ich. Ralf Schuler zum Beispiel schreibt in seinem Blog: „Inhaltlich ist der Koalitionsvertrag ein Dokument der Erschöpfung. Kleinteilige Sozialstaatsreparatur, die nichts schadet aber viel kostet.“

Und: „Immerhin konnte die Union 100 Prozent ihres Programmes durchsetzen: Angela Merkel bleibt Kanzlerin. Manchmal bleibt halt nur Sarkasmus.“ (*1)

Im Stern resümiert Axel Vornbäumen: „Die Bundesrepublik Deutschland, 69, bekommt mit der vierten GroKo ihrer Geschichte ein Bündnis, in dem die führenden Figuren bei der Bildung einer Regierung eklatant gegen den Grundsatz „Erst das Land, dann die Partei“ verstoßen haben. Die Große Koalition ist (auch) zu einer Versorgungsfrage verkommen. Ein guter Start ist das nicht.“ (*2)

Und der Postillon frotzelt: „Martin Schulz wird Minister für Verarsche, Wortbruch und Wählerbetrug.“(*3)


Der für uns entscheidende Absatz im Koalitionsvertrag findet sich auf der Seite 89. Dort ist unter der Überschrift „Weidetierhaltung“ zu lesen:


„Die Weidetierhaltung ist aus ökologischen, kulturellen und sozialen Gründen sowie zum Erhalt der Artenvielfalt und Kulturlandschaft zu erhalten. Im Umgang mit dem Wolf hat die Sicherheit der Menschen oberste Priorität. Wir werden die EU Kommission auffordern, den Schutzstatus des Wolfs abhängig von seinem Erhaltungszustand zu überprüfen, um die notwendige Bestandsreduktion herbeiführen zu können. Unabhängig davon wird der Bund mit den Ländern einen geeigneten Kriterien- und Maßnahmenkatalog zur Entnahme von Wölfen entwickeln. Dazu erarbeiten wir mit der Wissenschaft geeignete Kriterien für die letale Entnahme. Wir wollen, dass Wölfe, die Weidezäune überwunden haben oder für den Menschen gefährlich werden, entnommen werden.“


Kurzum: Die hier beschriebene „notwendige Bestandsreduzierung“ ist seriös überhaupt nicht herleit- und begründbar. Allein aufgrund der Verwendung dieser Bezeichnung kann man erkennen, dass in Bezug auf den Wolf offenkundig kein Sachverständiger in der Arbeitsgruppe Landwirtschaft, die diesen Passus verfasste, dabei war. Aber es kommt noch besser.

Die beschriebene Überprüfung des Erhaltungszustandes des Wolfs wird sowieso alle sechs Jahre im Rahmen des nationalen FFH-Berichtes vorgenommen und ist bald wieder fällig. Eine davon abhängige Änderung des Schutzstatus ist in absehbarer Zeit nicht zu erwarten.

Und dann treiben es die Koalitionäre sogar noch auf die Spitze: Man will mit der Wissenschaft zusammen geeignete Kriterien zur Tötung von Wölfen erarbeiten.

Man spricht im Koalitionsvertrag fast durchgängig, obwohl wir in Deutschland noch mindestens 100 Wolfsrudel davon entfernt sind, um von einer stabilen Wolfspopulation reden zu können, bei diesem streng geschützten Tier vom Entnahmen, was nichts anderes als töten bedeutet.

So etwas grenzt meines Erachtens an einen Affront, der für die Parteien zum Eigentor werden könnte, weil nicht weniger als 78 Prozent der Bevölkerung dieses Landes der Überzeugung sind, dass Wölfe auch in Deutschland leben sollten, wenn es zu Problemen mit ihnen kommt.

Außerdem gibt es durchaus einen Königsweg in der ganzen Sache, der da lautet: „Mit Herdenschutzmaßnahmen Nutztiere UND Wölfe schützen.“

Doch von dieser unblutigen Alternative wollten die Koalitionäre offenbar gerade nichts wissen. Das Wort Herdenschutz kommt nicht ein einziges Mal in diesem Koalitionsvertrag vor. Das Papier ist diesbezüglich also nicht nur mangelhaft, es ist vollständig ungenügend.

Tröstlich ist allerdings, dass die ganze Diskussion diese Koalition vermutlich gar nicht mehr in dieser Legislaturperiode betreffen wird.

Denn bis wir in diesem Land über einen artenschutzgerechten günstigen Erhaltungszustand an Wölfen (160 Wolfsrudel) verfügen, müssen wir aller Voraussicht nach noch bis zum Jahr 2021 warten.

Und dann, in knapp dreieinhalb Jahren, wird die nächste Bundestagswahl spätestens bis zum 24. Oktober 2021 stattgefunden haben. Die Monitoring-Ergebnisse, wieviele Wölfe es bis dahin gibt, werden regelmäßig (etwas) später veröffentlicht…

Just my two cents…

Jürgen Vogler


Quellen (alle abgerufen am 7.2.2018):

(*1) ralfschuler.wordpress.com: „Denkzettel als Regierungsauftrag – ein Missverständnis“, hier der Link!

(*2) Stern.de, Axel Vornbäumen: „Und die wichtigste Frage war: Was wird aus mir? Das ist ein Armutszeugnis“, hier der Link!

(*3) Postillon: Martin Schulz wird Minister für Verarsche, Wortbruch und Wählerbetrug, hier der Link!