Machen wir es doch wie Frau Merkel: Wenn Grenzwerte nicht mehr passen, ändern wir einfach das (Bundesimmissionsschutz-) Gesetz. Was nicht passt, wird kurzum passend gemacht. So einen Vorschlag kann man sich als altehrwürdiger Politiker jedoch nur erlauben, wenn man wenige Tage später den Rückzug erklärt. Oder?
Auf einer Veranstaltung des Landvolkes Niedersachsen, die der dortige Bauernverband nun gemeinsam mit dem „Aktionsbündnis aktives Wolfsmanagement“ in Walsrode durchführte, liebäugelten einige geladene „Experten“ offenbar ebenfalls damit, die „Grenzwerte“ für „Problemwölfe“ und Abschussszenarien zu verschieben, weil für sie ein gefühltes Maß an Wölfen und Schäden bereits überschritten zu sein scheint.
Ein Zuviel an Wölfen wird häufiger von Seiten zahlreicher Wolfsskeptiker behauptet, ohne dass allein die zahlenmäßigen Voraussetzungen dafür tatsächlich erfüllt wären. Interessanterweise vermutlich wohl auch nicht einmal mehr in dieser Legislaturperiode erfüllt werden dürften, was derartige zutiefst emotional gefärbten Debatten irgendwie verfrüht wirken lässt.
Mit „zahlenmäßigen Voraussetzung“ ist übrigens der „günstige Erhaltungszustand“ gemeint, dessen Grundlagen schon mehrfach auf dieser Webseite erklärt wurden.
Und der hängt nicht nur – wie viele vielleicht glauben – daran, dass es mindestens 1.000 erwachsene Wölfe in der Zentraleuropäischen Tieflandpopulation, also bei „unseren Wölfen“ geben muss.
Kurzum, zu viele Anwesende in Walsrode phantasierten – und tun das teilweise schon seit Jahren – über Wolfsabschuss- und Jagdszenarien, anstatt ehrlich zuzugeben, dass es mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit jenseits der Wolfsmanagementpläne in absehbarer Zeit keine solchen Abschussroutinen in Deutschland geben wird.
Am Ende bekannte das auch der Bundestagsabgeordnete Gero Hocker (FDP). Der berichtete von der offensichtlich fehlenden Mehrheit im Bundestag, um den Wolf ins Jagdrecht aufzunehmen.
Und wenn der Landvolk-Vizepräsident Jörn Ehlers dann auch noch tadelnd die Versäumnisse der Vergangenheit beklagt und feststellt, dass „den Tierhaltern die Perspektive und die Zeit fehlen, weil viele vor der Entscheidung stehen, aufzuhören“, beschreibt das nichts anderes, als das Grundversäumnis seines eigenen Verbandes.
Nämlich das ehrliche Eingeständnis, dass die eigenen Verbandsmitglieder besser flächendeckend die angebotenen Steuergelder für Wolfspräventionsmaßnahmen nutzen sollten, anstatt der Hoffnung nachzuhängen, das Land würde auf Bemühen des Bauernverbandes die Bejagung des Wolfes entgegen der EU-Bestimmungen tatsächlich durchsetzen.
Der vor Wölfen weitestgehend wirksame Herdenschutz wird am Ende nur funktionieren, wenn auch die Bauernlobbyisten das irgendwann einsehen und die Dinge im Sinne ihrer Mitglieder ehrlich beim Namen nennen.
Nein, liebe Leserinnen und Leser, was da am 1. November in Walsrode von den Agrarlobbyisten mit wahrnehmbarer Anti-Wolfs-Attitüde auf die Beine gestellt wurde, brachte – so ließ ich mir berichten – wenig erkennbaren Mehrwert.
Im Gegenteil: Einige Anwesende versuchten offensichtlich weiterhin, den Weidetierhaltern Sand in die Augen zu streuen.
Wenn es jedoch so ist, wie Hocker behauptet und wir hier seit Jahren vermuten, bleibt am Ende für die Weidetierhalter trotzdem nur die Verbesserung des eigenen Herdenschutzes. Und das besser früher als später!
Der Staat unterstützt sogar dabei. Seit wenigen Tagen sogar die Hobbytierhalter in Niedersachsen.
Das ist wohl die wichtigste Erkenntnis dieses Debattentages. Und weist bezeichnend in Richtung der „sachorientierten Problemlösung“, von der Olaf Lies in Walsrode sprach. Auch wenn er es vermutlich etwas anders gemeint haben könnte…
Just my two cents…
Jürgen Vogler
Quelle: kreiszeitung.de am 2.11.2018: „Der Wolf bleibt ein Aufreger“, abgerufen am 3.11.2018, hier der Link!