Der in den letzten Jahren nahezu linear verlaufende Anstieg der Wolfspopulation schwenkt aktuell in eine exponentielle Wachstumskurve ein. Gab es im Jahr 2004 gerade einmal ein einziges Rudel und ein Wolfspaar in Deutschland, so wurden fünf Jahre später bereits sieben Rudel und vier Paare gezählt. Im letzten Wolfsjahr 2013/2014, das Wolfsmonitoringjahr beginnt jeweils am 1. Mai eines Jahres und endet am 30. April des Folgejahres, wurden immerhin schon 25 Wolfsrudel, acht Wolfspaare und drei sesshafte Einzelwölfe nachgewiesen.
Heute, fast ein Jahr später, werden schon 38 besetzte Wolfsterritorien gemeldet. Vermutlich leben in Deutschland gegenwärtig bereits rund 300 Wölfe. Und auch im laufenden Wolfsjahr gab es reichlich Nachwuchs. In Deutschland haben wir es also mit einer stark ansteigenden Wolfspopulation zu tun. Gehen wir einfach mal davon aus, dass sich der vorhandene Bestand an Wölfen jährlich um 20% vergrößert – eine zugegebenermaßen eher zurückhaltende Annahme, Experten gehen sogar von mehr als 30 % aus – dann wird es bereits in gut fünf Jahren, also im Jahr 2020, rund 750 Wölfe in Deutschland geben. Die Zahl wird sich bis dahin also in etwa verzweieinhalbfachen. Die Probleme vermutlich vervielfachen.
Dort, wo er sich niedergelassen hat, gibt es irgendwann Ärger durch Übergriffe auf Schafe und immer öfter auch Rinder. Isegrim kann als ausgeprägter Nahrungsopportunist nicht zwischen für ihn erlaubter und unerlaubter Beute unterscheiden. Er nimmt sich ganz selbstverständlich das, was leicht zu erbeuten ist. Ihm das vorzuwerfen, wäre naiv. Dem Unmut, der jedoch bei den betroffenen Tierhaltern entsteht, die nun in Wolfsgebieten mit Herdenschutzmaßnahmen „aufrüsten“ müssen, soll – das ist kommunizierter naturschutzpolitischer Wille – frühzeitig durch die freiwillige Zugabe finanzieller Unterstützung der „öffentlichen Hand“ begegnet werden. Einen gesetzlichen Anspruch darauf gibt es allerdings nicht. Die sich in letzter Zeit medial ausgeschlachteten häufenden Begegnungen von Wölfen, Dorfbewohnern und einzelnen Spaziergängern und die Erkenntnis, dass reviersuchende Jungwölfe bei ihren Streifzügen auch keine Wohnsiedlungen meiden, erschweren die Absicht der sorglosen Eingliederung der „Neubürger“ maßgeblich. Dort, wo sich Probleme abzeichnen, stehen dem Ratlosen deshalb mehr oder weniger qualifizierte ehrenamtliche Wolfsberater und Rissgutachter, Wolfsbetreuer und sogar Wolfsbotschafter als Ansprechpartner zur Seite.
Wertet man die bundesweiten Medien regelmäßig aus, was heute im Internet mit entsprechenden Suchmaschinen kein Problem mehr ist, liest man zurzeit im Durchschnitt einmal wöchentlich von Nutztierschäden durch den Heimkehrer. Tendenz steigend. Auch diese Zahl müsste sich bis 2020 mehr als verdoppeln. Ob dann allerdings noch etwas davon zu lesen sein wird, hängt maßgeblich davon ab, ob ein gewöhnlicher Nutztierriss dann überhaupt noch für die Medien interessant genug sein wird. Oder ob wir bis dahin anders mit dem Wolf umgehen.
Herzlichst
Ihr
Jürgen V.