Der Wolf und der Untergang der Demokratie – Wolfsmonitor

Der Wolf und der Untergang der Demokratie

Dirk Fisser, NOZ-Reporter, gab gestern in einem Zeitungsartikel mal wieder sein profundes Wolfswissen zum Besten. In seinem Kommentar verknüpfte er sein Know-how mit der Erkenntnis, dass der heutige Umgang mit dem Wolf ein Beispiel für eine Politik darstelle, die die Sorgen der Bevölkerung nicht besonders ernst nimmt. Er sehe deshalb die Gefahr, dass so die Demokratie ernsthaft beschädigt wird.

Wäre es das erste Mal, dass er sich unkritisch in irgendwelchen Zahlen verliert, um eine gewagte These zu formulierten, könnte man denken, es handele sich dabei um eine übliche journalistische Nachlässigkeit.

Da sich Fisser in der Vergangenheit jedoch bereits öfter in ähnlich hinterfragungswürdiger Weise äußerte (z.B. hier), kann allerdings davon ausgegangen werden, dass er damit eine tiefere Absicht verfolgt.

Man kommt dieser Intention auf die Schliche, wenn man versucht zu verstehen, welche Perspektive Fisser in seinem Artikel eigentlich einnimmt.

Er berichtet beispielsweise von radikalisierten Schäfern (…“verzweifelt sind sie alle“ – das ist schlichtweg falsch), außerdem instrumentalisiert er die Wolfsübergriffe durch das kritiklose Ausblenden des Umstands, dass diese in Niedersachsen im Jahr 2018 trotz häufigerer Wolfsvorkommen bisher deutlich niedriger ausgefallen sind als noch im Vorjahr.

Spätestens, als Fisser in seinem Kommentar auch noch den demokratischen Föderalismus mit seinem Subsidiaritätsprinzip für das herumwurschteln der Politiker verantwortlich macht („…länderübergreifende Vorbereitung? Fehlanzeige. Stattdessen wurschtelt jedes Bundesland mehr schlecht als recht am eigenen Wolfsprogramm“…) und damit ignoriert, dass es mit der „Dokumentations- und Beratungsstelle des Bundes zum Thema Wolf (DBBW)“ bereits seit drei Jahren eine solche Institution gibt, wird erkennbar, dass der Redakteur mit dem Verschweigen solcher Tatsachen offenbar etwas ganz anderes beabsichtigt:

Er warnt anhand des Wolfes und später auch am Beispiel der Ferkelkastration und den Dieselfahrverboten vor dem Versiegen einer politischen Mehrheit, wie er selbst sie gutheißt…

Wenn in der vorletzten Zeile seines Kommentars beispielsweise zu lesen ist, dass sich die Bevölkerung von der Politik abwende, wenn diese die Sorgen (von Teilen) der Bevölkerung nicht ernst nehme, unterstreicht das diese Vermutung.

Die jüngsten Wahlen in Bayern und Hessen zeigen übrigens etwas ganz anderes: Viele Mitbürger gehen solch journalistisch aufgehübschten Behauptungen und deren Propheten in Partei, Presse und Politik einfach nicht mehr auf dem Leim.

Sie suchen sich stattdessen augenscheinlich lieber eine glaubwürdigere politische Alternative (was den Aufschwung der GRÜNEN erklären könnte) oder sympathisieren mit der harten symbolischen Politkonfrontation (was den Aufstieg der AfD beflügeln dürfte). Von der Politik abwenden – wie Fisser es darstellt – tun sie sich jedoch nicht.

Was Fisser offenbar auch nicht verstanden hat: Es gibt beim Thema Wolf sogar eine „höhere Wahrheit“, die als fundamentale Antriebsfeder einer werteorientierten Argumentation funktioniert.

Diese umriss der österreichische Biologe, Verhaltensforscher und Gründer des Wolf-Science-Center in Ernstbrunn kürzlich treffend mit den Worten:

„In einer Welt auf der Kippe wird es entscheidend sein, die menschlichen Ansprüche wieder auf ein verträgliches Maß zurückzuführen; insofern ist der Wolf ein Symbol.“ (*1)

Dirk Fissers Argumentationsgebäude fällt bezeichnenderweise dann auch bereits vollständig in sich zusammen, wenn man seiner Betrachtung ein winziges Detail zufügt:

Nämlich die Tatsache, dass auch heute noch – rund 20 Jahre nach der Rückkehr der Wölfe nach Deutschland – in rund 90 % der beschriebenen Fälle nicht mal ein Grundschutz für die betroffenen Tiere vor den Beutegreifern vorhanden war.

Die Wölfe wurden dadurch quasi vom Tierhalter zum Übergriff eingeladen, weil sie nicht zwischen erlaubter und unerlaubter Beute unterscheiden können.

Das zeigt auch, dass es sich beim Lobbyisten-Statement des Bauernverbandes (mal wieder) um nichts anderes als um eine hohle Phrase handelt.

Welcher Herdenschutz stößt denn bitte an „seine Grenzen“, wenn er zu 90 % noch nicht einmal ansatzweise durchgeführt wird?

Schön ist allerdings, dass Dirk Fisser ergänzend einmal sichtbar macht, mit was für Konsorten man es als bekennender Wolfsbefürworter bei der „Interessengemeinschaft Sichere Weidewirtschaft (IGW)“ so zu tun hat.

Dieser „Gemeinschaft“ nach sind Menschen, die sich für Wölfe einsetzen, schon mal „unterbelichtet“, „verblödet“ oder „Gehirn-gewaschen“, wie schon „Kollege“ Ulrich Wotschikowsky es im „Forum Isegrim“ formulierte. (*2)


Fazit: Anders als Dirk Fisser es feststellt: Die Wolfsfrage schadet der Demokratie nicht. Überhaupt nicht! Im Gegenteil! Sie bietet hinlänglich Gelegenheit, diejenigen zu entlarven, die Wölfe für eigene oder wie auch immer geartete Zwecke politisieren und instrumentalisieren.

Dazu gehören insbesondere die, die anhand einiger tragischer Einzelfälle in populistischer Manier behaupten, Herdenschutzmaßnahmen seien unwirksam.

Richtig ist: Guter Herdenschutz ist immer noch das wirksamste Mittel gegen Wölfe!

Man wird allerdings damit leben müssen, dass es eine 100 %-ige Sicherheit für Nutztierhalter vor Wolfsübergriffen nicht geben kann.

Aber: Selbst in Bereichen mit den höchsten Sicherheitsstandards wie dem Luftverkehr gibt es jährlich zahlreiche tragische Opfer zu beklagen (allein 23 Todesopfer in Deutschland zwischen Januar und Juli 2018 bei 126 Flugunfällen – siehe hier! *3).

Nimmt deshalb gleich die ganze Demokratie Schaden?

Folgerichtig sei abschließend die Frage an Dirk Fisser erlaubt: Geht´s vielleicht auch ein bisschen kleiner?

Just my two cents…

Jürgen Vogler


P.S.: Die Debatte wird nicht selten ausgerechnet von denen angeheizt, die sich andererseits wenig daran stören, dass im selben Betrachtungszeitraum (seit 2015) allein in Deutschland weit über 200.000.000 Schweine und 14.000.000 Rinder agrarindustriell, also auf unnatürliche Weise getötet wurden. Das allerdings findet üblicherweise hinter verschlossenen Türen statt. Macht im Vergleich Mensch – Wolf 164.615 zu eins.


Quellen (alle abgerufen am 7.11.2018):

(*1) derstandard.at/2000087920286/Wie-verhaelt-man-sich-wenn-man-einem-Wolf-begegne, von Peter Illetschko am 24. September 2018, hier der Link!

(*2) woelfeindeutschland, „Verblödet oder Kalkül“ von Ulrich Wotschikowsky am 03.02.2017, hier der Link!

(*3) reisereporter.de: „Mehr Tote: Zahl der Flugunfälle ist 2018 gestiegen“ von Leonie Greife am 31.7.2018

(*4) noz.de: „Wölfe töten in Norddeutschland seit 2015 etwa 1300 Nutztiere“ am 6.11.2018 von Dirk Fisser, hier der Link!