Die Ankündigung kam am Samstag über die sozialen Medien. Es würde ein Wochenende werden, in dem der Wolf ein tragendes Thema in der „Welt am Sonntag“ und dann auch noch am selben Abend beim Fernsehsender N24 sein würde. Auch das noch, denke ich, schließlich will sich auch Reinhold Beckmann am Montag zur „Prime-Time“ um 20:15 Uhr in der ARD ebenfalls am Thema Wolf versuchen.
Für mich Grund genug, sich an diesem Sonntag nicht nur – wie gewöhnlich – Brötchen zu besorgen. Ein Blick in die Zeitungsständer und ich lese, dass sich die Beckmanns scheinbar gerade getrennt haben. Hoffentlich hat das keine Auswirkungen auf die Qualität der Sendung am Montag, denke ich noch. Die Brötchen schmecken wie gewohnt gut und der Blick ins Blatt zeigt: Nur eine Seite lang ist das „tragende Thema“ des Tages schließlich. Außerdem hätte ich mir die Investition sparen können, denn genau dieser Artikel kursierte bereits früh am Morgen „im Netz“. Nach der Lektüre sollte sich dann auch noch herausstellen, dass der Beitrag letztlich wohl nur als „Appetitanreger“ für die abends laufende Sendung auf N24 gedacht war.
Und dann blicke ich auf die Autoren des Artikels. Und siehe da, der Name Stefan Aust lässt mich aufhorchen. Ich frage mich, ob es sich um DEN Stefan Aust handelt, der damals regelmäßig im „Spiegel TV Magazin“ zu sehen war oder um einen Namensvetter? Schnell einen Blick in die Online-Bibliothek Wikipedia geworfen (hier der Link) und tatsächlich, es ist scheinbar DER Stefan Aust. Heute ist er Herausgeber der Tageszeitung „Die Welt“ und mit 26% als Eigentümer an der „N24 Media“ beteiligt und dort als Geschäftsführer tätig. Eine weitere Zeile dann macht mich stutzig. Dort ist zu lesen: „Kritiker hatten Aust schon länger vorgeworfen, seine Arbeit mit privaten Interessen zu verquicken.“ Aha, denke ich.
Den Artikel selber finde ich unerträglich tendenziös und endtäuschend. Da werden „Wolfsexperten“ und Betroffene zitiert, bei denen es nicht verwundert, als am Schluss die Quintessenz lautet: „Wenn die Politik den Spuk nicht stoppt, wird das umhegte Kuscheltier wieder zum großen bösen Wolf, hungrig und damit gefährlich – wie es so seine Art ist“. Übrigens sind das genau die Worte, mit denen auch die abendliche Fernsehreportage endet. Es wird leider – und das stößt mir ziemlich auf – auch nicht versäumt, Wolfsbefürworter in den Kontext der dunkelsten Jahre der deutschen Geschichte zu stellen.
Abends dann, in der Fernsehreportage, wird durch die Bildauswahl derart mit den Emotionen der Zuschauer gespielt, dass sich so mancher von denen, die dort interviewt wurden, im Nachhinein eher unwohl fühlen dürfte. Eine unterschwellige Botschaft des Beitrags lautet dann auch: Die Gen-Analysen des Senckenberg-Instituts seien nicht ausreichend zuverlässig, um vermeintliche Wolfsangriffe auf Pferde zu beweisen. Zumindest in den zwei gezeigten Fällen waren sie das wohl nicht, obwohl, das suggeriert der Beitrag, Wölfe augenscheinlich die Täter gewesen sein müssen. Es gibt nur keinen Beweis dafür! So etwas schürt natürlich die Ängste und Unsicherheiten aller Pferdebesitzer.
Ich ärgere mich, denn über 400.000 Leser der „Welt am Sonntag“ und viele Fernsehzuschauer werden durch diese Art des Journalismus erreicht. Die breite Meinung zum Wolf soll mit diesen Beiträgen scheinbar mit schlichtweg unvollständigen und tendenziösen Argumenten gezielt negativ beeinflusst werden. Schade irgendwie, aber legitim. Und durchsichtig! Die Redakteure nutzen bewusst den einseitigen Blickwinkel und beweisen so, dass sie am Ende der Komplexität der Fragestellung nicht gewachsen sind. Oder sein wollen! Meiner Ansicht nach hätten die Ergebnisse der Reportage nämlich ganz andere sein müssen, wenn statt Valerius Geist, Christian Lohmeyer und Helmut Damman Tamke echte Experten, wie zum Beispiel Kurt Kotrschal, Josef H. Reichholf oder Günther Bloch Stellung zum Thema bezogen hätten. Doch das war wohl nicht gewollt.
Ich muss wieder an die bereits oben zitierte Kritik auf Wikipedia denken. Und siehe da: Ich finde im Internet dann auch eine Webseite über den Pferdezüchter Stefan Aust (hier der Link). Ein Schelm, wer Böses dabei denkt?
Von solcher Art Journalismus torpediert, bleibt die ehrliche Aufklärung über die wahre Natur des Wolfes und die damit verbundenen Herausforderungen leider weiterhin eine Sisyphusarbeit….
Heute dann: Jung versus Wotschikowsky
Heute Abend zur besten Sendezeit scheint es bei der ARD dann auch etwas ausgewogener zuzugehen. Reinhold Beckmann fragt: Gehört der Wolf nach Deutschland? …und hat sich zur Beantwortung dieser Frage Reinhard Jung und Ulrich Wotschikowsky eingeladen.
Man kann nur vermuten, warum gerade Reinhard Jung eingeladen wurde. Mit seiner Äußerung „Schießen, einfach schießen!“ geriet der Geschäftsführer des Bauernbundes Brandenburg (rd. 400 Mitglieder) zuletzt in die Schlagzeilen (Wolfsmonitor berichtete, siehe hier). Vermutlich hatten die Verantwortlichen des Senders keine große Auswahl an kundigen Verbandsvertretern, die sich zutrauen, öffentlich die „Position Contra Wolf“ zu vertreten? Schließlich wird das Thema Wolf auch in den größeren Verbänden zunehmend kontrovers diskutiert und die Verbandsspitzen zeichneten sich zuletzt eher durch Unwissen aus (siehe auch hier). Mit Reinhard Jung hat man nun jedoch jemanden gefunden, dessen Äußerungen zumindest „unterhaltsam“ sein dürften. Die eigentliche Herausforderung der heutigen Zeit, zweckmäßiger Herdenschutz, dürfte dennoch in der grundsätzlich ablehnenden Haltung des Bauernbundsprechers an diesem Abend in den Hintergrund rücken. Aber warten wir mal ab.
Auf der anderen Seite, „Pro Wolf“, also Ulrich Wotschikowsky. Es ist ja verpönt, sich beim Thema Wolf als Experte bezeichnen zu lassen. Ulrich Wotschikowsky ist jedoch unzweifelhaft ein solcher Experte. Und er ist auch jemand, der kein Blatt vor den Mund nimmt, dabei sachlich argumentiert, es dabei jedoch in der Regel nicht am nötigen Respekt vermissen lässt. Es sei denn, jemand erzählt ausgemachten Blödsinn. Dann wird er, wie es so schön heißt, unmittelbar „abgewotscht“. Als Mitglied der Large Carnivore-Initiative für Europe (LCIE), einer Species Survival Commission (SSC) der IUCN, also der Weltnaturschutzorganisation, ist Wotschikowsky auch international als Experte anerkannt und weiß demnach, was sich auch außerhalb Deutschlands in Punkto Wolf abspielt. In seinem einleitenden Statement für den heutigen Abend (hier der Link) dürfte er zwar mit dem „Schöpfungsargument“ – so richtig es grundsätzlich ist – in Zeiten, in denen in der Politik über die Intensivtierhaltung, das legale Kürzen von Schnäbeln bei Junghennen und das Kupieren von Ferkeln diskutiert wird, nicht jedermanns Geschmack getroffen haben, Wotschikowsky wäre allerdings nicht „Wotsch“ – so nennen ihn seine Fans – wenn er nicht nachlegen würde.
Wir dürfen also auf die Diskussion heute Abend gespannt sein!
Anmerkung um 21:30 (7. Sept.): Die von mir erwartete Diskussion mit der Teilnahme der beiden genannten Herren fand leider nicht statt. Asche auf mein Haupt! Es war mir einfach entgangen, dass Diskussionen in der neue Sendereihe von Reinhold Beckmann nicht vorgesehen sind. Sowohl Ulrich Wotschikowsky als auch Reinhard Jung waren inhaltlich nicht in die Sendung eingebunden. Schade eigentlich! Ein solches Gespräch wäre sicherlich spannend geworden.
Herzlichst
Ihr
Jürgen Vogler