Ich möchte mit diesem Artikel einmal all diejenigen persönlich ansprechen, die neu in einem offiziellen „Wolfsgebiet“ leben. Ihre Unsicherheit ist zwar auf den ersten Blick nachvollziehbar, aber gewissermaßen unbegründet. Nehmen Sie sich doch einfach ein Beispiel an den Experten!
Liebe Wolfsmonitor-Leser,
Sie haben es zwar schon lange aus den Medien gewusst, doch jetzt ist es auch für Sie zur unmittelbaren Gewissheit geworden: Deutschland ist Wolfsland! Und auch in Ihrer Region wird er so langsam heimisch! In jüngster Zeit sind in Ihrer näheren Umgebung Wölfe gesehen worden und vielleicht sind auch bereits einige Nutztiere, vermutlich Schafe, diesen Beutegreifern zum Opfer gefallen? Das beunruhigt nicht nur Sie, sondern auch Ihre Familie, die Nachbarn, Verwandten und Freunde, ja vermutlich die Bewohner Ihres ganzen Ortes. Sie werden nun viele Fragen haben, zum Beispiel: „Kann ich jetzt noch unbesorgt in den Wald gehen? Dürfen meine Kinder noch unbeaufsichtigt draußen spielen? Ist mein Hund auf den Spaziergängen in Gefahr?“
Nehmen Sie sich doch bitte einmal ein Beispiel an den Experten! Sicherlich werden nun auch in Ihrer Region, wenn diese aktuell gerade von Wölfen besiedelt wird, Vorträge, Thementage oder Informationsabende angeboten. Besuchen Sie einfach einmal eine solche Veranstaltung! Sie werden feststellen, dass dort einige Teilnehmer ziemlich „aus dem Häuschen“ sein werden. Üblicherweise „kochen“ die Emotionen, jedoch überwiegend auf der Seite des Publikums. Sollten Ihnen wirklich erfahrene Fachleute gegenüberstehen, werden Sie bemerken, dass diese gewöhnlich ganz entspannt und sachlich sind. Warum? Nun, für Aufregung gibt es eigentlich keinen Anlass. Diese Fachleute kennen diese Situation, denn bereits seit 15 Jahren ist sie für sie immer gleich. Sie wissen, dass es die größte Aufregung in der Bevölkerung besonders dort gibt, wo Wölfe sich neu ansiedeln, an der „Wolfsfront“ sozusagen. Es gilt zwar für das Publikum, insbesondere für die Tierhalter, künftig einige Vorsichtsmaßnahmen zu beachten und manche Verhaltensweisen „guter fachlicher Praxis“ zu überdenken. Es schadet auch grundsätzlich nicht, die Augen offen zu halten und sich gezielt zu informieren! Doch dann…passiert meistens nichts!
Ich vermute einmal, wie mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit solch ein Informationsabend ablaufen wird. Es wird nahezu immer eine Wortmeldung aus dem Publikum geben, bei der gefragt wird, wozu wir eigentlich Wölfe brauchen. Ein anderer Teilnehmer wird es als Verdienst unserer Vorfahren herausstellen, dass die Wölfe seinerzeit ausgerottet wurden. Irgendjemand wird auch einen kennen, der gehört hat, dass sich ein Wolf nah an ein bebautes Grundstück gewagt hat. Vielleicht lag dieses Grundstück sogar in der Nähe einer Bushaltestelle? Oder eines Altersheims? Oder eines Kindergartens? Möglicherweise zeigt jemand sogar ein unscharfes Handyfoto, doch das Motiv wirkt auf Sie irgendwie merkwürdig. Es kommt ja auch nicht von ihm, sondern wurde ihm nur von einem Bekannten zugespielt. Vielleicht hat er es auch aus den sozialen Medien kopiert. Das kommt übrigens gar nicht selten vor. Dort gibt es hunderte ähnlicher Bilder. Oft von Wolfshunden, die Wölfen ziemlich ähnlich sehen. Fragen Sie dann mal die anwesenden Experten, wie häufig sich diese mit derartigen Meldungen, die sich später meistens als falsch herausstellen, herumschlagen müssen. Erfahrungsgemäß ist auch noch ein Jäger im Publikum zu finden, der in letzter Zeit beobachtete, dass er und seine Reviernachbarn kaum noch Wild „vor die Flinte“ kriegen. Sein Befund: Die Wölfe fressen die Wälder leer. Am Ende wird es höchstwahrscheinlich auch noch einen Teilnehmer im Plenum geben, der keinen Zweifel daran lässt, dass nun alle in höchster Gefahr sind.
Mein Rat: Bleiben Sie entspannt! Es ist in Deutschland bis heute, und es leben bereits wieder mehr als 300 Wölfe hier, kein einziger Fall bekannt geworden, bei dem sich Isegrim einem Menschen gegenüber auch nur annähernd aggressiv gezeigt hat. Auch ich kann zwar nicht ausschließen, dass so etwas irgendwann in der Zukunft einmal passieren wird. Sie sollten jedoch beherzigen, dass nicht nur zu Grimms-Zeiten viele Märchen erzählt wurden. Auch in jüngster Zeit machen so einige Märchen in der Presse die Runde. Diese Geschichten ziehen in der Regel die Aufmerksamkeit der Leser auf sich und schaffen dadurch eine höhere Auflage des jeweiligen Blattes. Viele dieser Geschichten sind von überforderten Zeitgenossen lanciert, die Wölfe nicht mögen, ja sie aufgrund ihrer eigenen Interessen vielleicht sogar hassen. Sie glauben, so andere ängstliche Menschen auf ihre Seite ziehen zu können, übersehen jedoch meistens, dass sie dabei besonders sich und möglicherweise ihrem gesamten „Berufsstand“ einen „Bärendienst“ erweisen.
Meine Empfehlung: Schauen Sie sich die erfahrenen Wolfsexperten auf den Informationsveranstaltungen einmal ganz in Ruhe an. Sie werden feststellen, dass diese Fachleute ziemlich souverän und sachlich sind. Nur, wenn diese auf Sie ernsthaft nervös wirken, sollten Sie aufhorchen. Dann gibt es vermutlich einen reellen Grund dafür. Lampenfieber?
Herzlichst
Ihr
Jürgen Vogler