Ich fühle mich gerade an die Märchenstunden meiner Kindheit erinnert. Warum? Weil ich mir einerseits heute im ZDF die Ulli-Rothaus-Reportage „Der Wolf vor der Haustür“ angesehen und mir andererseits (bereits heute Nachmittag) einige schriftliche Reaktionen auf die Zeilen des NOZ-Redakteurs Klaus Wieschemeyer vom 10. Juni herausgesucht habe. Seine Artikelüberschrift in der NOZ damals lautete: „Minister rät: Spaziergänger sollen Wölfe notfalls mit Pfefferspray vertreiben“.
Die ZDF-Reportage habe ich sehr schnell unter dem Prädikat „Drehbuchautor überfordert“ und „Reportage mit ideologisch unausgewogener Schlagseite“ abgehakt.
Gründe? Für mich war es zum Beispiel bezeichnend, dass ein (bekannter) Schäfer aus dem Autofenster jemanden aus der Nachbarschaft anspricht, der die Schaf- und Rinderhaltung augenscheinlich gerade aufgab. „Lohnt sich nicht mehr“, so dessen Fazit. Warum, lässt die Sendung allerdings offen. Natürlich wegen der Wölfe, muss der Zuschauer nun aus der Szene schließen. Gesagt hat das allerdings niemand… .
Oder: Frau N. (trug eine Schirmmütze eines bekannten Jagdwaffenherstellers) erzählt eine Geschichte, die offenkundig sogar die offiziellen Stellen anders beurteilen.
Oder auch: Matthias und Birgit Vogelsang vom Wisentgehege Springe versuchen, dem Schäfer Tilo Barth medienwirksam etwas mehr Toleranz den Wölfen gegenüber abzuringen (eine Scheckübergabe in Höhe von über 2.000 € an den Schäfer inbegriffen).
Die unkritisch gesendete Aussage eines Protagonisten, dass mit den Wölfen indirekt die Artenvielfalt leide, lässt mich dann endgültig zu dem Schluss kommen, meine Zeit verschwendet zu haben.
Ich finde ein derartig einseitiges Laientheater im öffentlich-rechtlichen Fernsehen nicht nur überflüssig sondern auch völlig unangebracht und deplatziert.
An Laientheater erinnert mich auch, was der erst kürzlich zur Neuen Osnabrücker Zeitung gewechselte Journalist Klaus Wieschemeyer am 10. Juni in der NOZ veröffentlichte. Nicht die teilweise fachlich zweifelhaften 83 Fragen der niedersächsischen FDP-Fraktion an die Landesregierung macht er zum Thema seines Artikels, sondern den im veröffentlichten Redemanuskript in Klammern! gesetzten und als solchen bezeichneten Extremfall „Pfefferspray“ zur Vertreibung sich „stark annähernden Wölfe“ greift er als Aufhänger für seinen Artikel auf. Am Ende verfehlt dieser Artikel dann auch tatsächlich seine Wirkung nicht:
Denn bereits wenige Tage später schreibt Wolfgang Bergfeld aus Quakenbrück darauf in einem NOZ-Leserbrief: …“Ohne Zweifel geht von einem so großen Beutegreifer wie dem Wolf direkt und indirekt eine Gefahr für den Menschen aus.“ …um später noch zu ergänzen: „Ist dann ein Angriff auf Menschen und, aus Sicht des Wolfes, der leicht zu erbeutenden Jungtiere (Kinder) ausgeschlossen?“…
Rothaus und Wieschemeyer mögen Profis sein, als Drehbuchautor oder auch als Korrespondent. Beim Thema Wolf allerdings präsentieren sie sich als Laien, ja, meinem Eindruck nach sogar als Dilettanten. Das Thema war wohl einfach eine Nummer zu groß für sie.
Ist diese Einsicht ein Trost? Nein, eher beunruhigend. Vor allem, wenn man die aktuelle geführte Diskussion über die sogenannte „Lügenpresse“ bedenkt und sich fragt, wer am Ende eigentlich „die Scherben wegräumt“.
Herzlichst
Ihr
Jürgen Vogler