Der NABU-Landesfachausschuss Wolf in NRW antwortete nun in einem „offenen Brief“ an Christian Lindner auf die Bestrebungen der nordrhein-westfälischen FDP, den Wolf per Antrag ins Landesjagdrecht zu übernehmen (Wolfsmonitor berichtete – hier!). Der NABU-Brief im Wortlaut:
„Sehr geehrter Herr Lindner,
wie die FDP so begrüßt auch der NABU NRW die Rückkehr des Wolfes in unser Bundesland. In der Tat ist dies ein Erfolg des Natur- und Artenschutzes wie sie in ihrem Antrag feststellen. Noch handelt es sich bei den Wölfen in NRW um durchziehende Jungtiere. Eine Rudel – also ein Wolfpaar mit Nachwuchs – gibt es in NRW noch nicht.
Auf den zweiten Blick offenbart der Antrag der FDP-Landtagsfraktion dann aber die mangelhafte Fachkompetenz in den Bereichen Natur- und Artenschutz und hier insbesondere im Zusammenhang mit dem Thema Wolf.
Im Einzelnen kritisieren wir folgende Aspekte im Antrag:
Die FDP sieht die frühzeitige Aufnahme des Wolfes in das nordrhein-westfälische Jagdrecht als „…ein klares Signal dafür, dass der Wolf ein Bestandteil unserer Artenvielfalt ist.“ Wenn eine solche Aufnahme in das Jagdrecht diese Signalwirkung erzielen könnte, müssten folgerichtig auch umgehend alle anderen Tierarten NRWs aufgenommen werden, wie z. B. unsere Insekten und Amphibien. So einfach lässt sich aber die Artenvielfalt in NRW weder retten noch steigern. Dem Jagdrecht sollten unserer Meinung nach folgerichtig nur solche Arten angehören, deren Bestände eine nachhaltigen Nutzung ermöglichen.
Des Weiteren fordert die FDP, dass Wölfe in Zukunft nur in vordefinierten Gebieten in NRW leben dürfen, ähnlich wie unser Rot- und Damwild. Derartige „no-go Areas für Wölfe“ widersprechen der FFH Richtlinie. Es belegt leider sachliche Unkenntnisse über europäische Vereinbarungen, der die Bundesrepublik zugestimmt hat und die bei Missachtung in letzter Konsequenz durch die EU in Form von Strafzahlungen geahndet werden können. Diese Forderung entspräche aber auch nicht einem nachhaltigen Wildtiermanagement der heutigen Zeit und ebenso nicht der Lebensweise einer Tierart mit einem großen Raum- und Nutzungsanspruch wie dem Rot- und Damwild und letztendlich auch dem Wolf. Glücklicherweise hat sich in den letzten Jahrzehnten die sinnvolle Notwendigkeit der Vernetzung von Lebensräumen im Biotopverbund in der EU allgemein durchgesetzt. Bei kurzer Recherche über das Thema „Wildtiermanagement“ wäre man auch auf die Ausführungen des Bundesamtes für Naturschutz gestoßen:
„Ziel des Biotopverbundes ist dementsprechend – neben der nachhaltigen Sicherung der heimischen Arten und Artengemeinschaften und ihrer Lebensräume – die Bewahrung, Wiederherstellung und Entwicklung funktionsfähiger, ökologischer Wechselbeziehungen in der Landschaft. Dabei stehen die ökologischen und räumlich-funktionalen Ansprüche der heimischen Arten an ihren Lebensraum im Vordergrund. Verbundsysteme sollen in diesem Zusammenhang den genetischen Austausch zwischen Populationen, Tierwanderungen sowie natürliche Ausbreitungs- und Wiederbesiedlungsprozesse gewährleisten.“
Zudem würde die FDP mit ihren „Wolfzonen“ eine klare „Zwei-Klassen-Gesellschaft“ in unserem Bundesland schaffen: Nutztierhalter in Wolfszonen müssen sich mit Präventionsmaßnahmen und Herdenschutz täglich auseinandersetzen, während sich ihre Kollegen in „wolfsfreien“ Regionen diese Herausforderungen nicht stellen müssen.
Die FDP erkennt im Wolfsmanagementplan NRW, dass eine „…Besenderung des kompletten Bestands an Wölfen in NRW…“ vorgesehen sein soll. Das ist schlichtweg falsch und an keiner Stelle im Managementplan nachzulesen. Mit diesem Statement offenbart die Fraktion der Liberalen, dass sie den Managementplan nicht gelesen hat.
Die Aussage „… Mit der Einwanderung eines so großen Raubtieres bestehen in Deutschland keine Erfahrungen…“, stößt bei uns auf gleiches Unverständnis: Der Wolf hat seit dem Jahr 2000 wieder Nachwuchs in Deutschland. Seitdem steigen die Bestände erfreulicherweise an. Es ist nicht übertrieben zu sagen, dass der Wolf in Deutschland zu den am besten „gemanagten“ Tierarten zählt. Es gibt Managementpläne der einzelnen Bundesländer, ein Kompetenzzentrum Wolf, verschiedene Forschungsinstitute und Naturschutzorganisationen sowie international anerkannte Wissenschaftler, die sich mit der Wolfspopulation befassen. Diese Behörden, Institutionen und Experten zu ignorieren, kommt schon in die Nähe einer Beleidigung oder sie ist dem Umstand geschuldet, sich absolut gar nicht mit der Thematik vertraut gemacht zu haben.
Wie die Übertragung des Wolfsmanagement auf die Jägerschaft zu weniger Bürokratie führen soll, muss man uns erst einmal erklären: Der Wolf ist durch internationale und nationale Gesetze wie dem Washingtoner Artenschutzgesetz, CITES, Berner Konvention, FFH Richtlinie und dem Bundesnaturschutzgesetz streng geschützt. Ein Blick nach Sachsen, wo der Wolf seit 2012 ins Jagdrecht bei ganzjähriger Schonzeit aufgenommen wurde, hätte bereits ausgereicht, um zu erkennen, dass die Beachtung eines weiteren Gesetzes (Landesjagdgesetz) logischerweise nicht zu einer Entbürokratisierung führen kann, sondern neben den Naturschutzbehörden weitere Behörden beschäftigt.
Zudem wäre es interessant, von der FDP zu erfahren, wie künftig die Aufgaben des Veterinäramts und die genetischen Nachweis-Untersuchungen von der Jägerschaft durchgeführt werden sollen? Durch diesen Zuständigkeitswechsel kann weder auf die Kompetenzen des Forschungsinstitut Senckenberg für Gen-Analysen verzichtet werden, noch darf eine Rißbegutachtung bei Nutztieren vor Ort durch Jäger erfolgen (wie auch jetzt nicht durch ehrenamtliche Wolfsberater). Für dieses Aufgabengebiet sind ausschließlich die Veterinärämter zuständig, denn diese Begutachtung stellt eine Sektion dar, die den Veterinären vorbehalten ist.
Ferner suggeriert der vorliegende Antrag der FDP, es bedürfe der Aufnahme des Wolfes in das Jagdrecht, damit sich unsere Jägerinnen und Jägern für die heimische Natur in NRW einsetzen. Eine Reihe von Mitglieder der Jägerschaft sind bereits jetzt als Luchs- und Wolfsberater aktiv in das Monitoring eingebunden und darüber freuen wir uns. Dass eine Aufnahme des Wolfes ins Jagdrecht ihr Engagement verbessern soll, erschließt sich uns nicht. Diese ehrenamtliche Aufgabe steht bereits jedem frei. Inwieweit die Jägerinnen und Jäger weitere Kapazitäten freisetzen können, um neben ihren jagdlichen Aufgaben im Revier noch zusätzliche Arbeiten im Wolfs-Monitorings zu erledigen, ist mehr als fraglich. Nicht jede Jägerin oder jeder Jäger möchte Kotproben einsammeln, Spuren dokumentieren, Risse protokollieren oder Personen aufsuchen, die glauben einen Wolf gesehen zu haben. Statt die Jägerschaft „zwangsweise“ in dieses Aufgabengebiet zu drängen, sollte man weiterhin auf das freiwillige Mitwirken der Interessierten in NRW setzen.
Zusammengefasst lässt der vorliegende Antrag der Fraktion der FDP in fachlicher Hinsicht jede Kompetenz vermissen. Wir können in keinem der von ihnen aufgeführten Punkte eine Verbesserung der derzeitigen Situation beim Wolfsmanagement in NRW erkennen. Während der intensiven Diskussion über die Jagdgesetznovelle in NRW wurde die Aufnahme des Wolfes ins Jagdrecht seitens der Landesjagdverbandes nicht gefordert. In diesem Punkt herrschte bei allen Beteiligten immer Konsens. Soll mit dem FDP-Antrag dieser Konsens zerstört werden?
Insgesamt finde ich den Antrag daher enttäuschend und entlarvend. Ich stehe aber auch zukünftig gern für eine fachliche Beratung der FDP-Fraktion zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Josef Tumbrinck
Landesvorsitzender NABU Nordrhein-Westfalen“
(Quelle: Landesfachausschuss Wolf in NRW, www.nrw-wolf.de, Offener Brief vom 10.5.2016, hier der Link!)