Ich mag es, wenn Menschen ihrer Berufung folgen und dadurch eine gewisse Zufriedenheit und Leidenschaft bei ihrer Berufsausübung ausstrahlen. Fast bewundernswert finde ich es sogar, wenn sie nach einer beruflichen „Irrfahrt“ das Ruder noch einmal herumreißen, um am Ende ihr berufliches Glück zu finden.
Nicht wenige der heute mehr oder weniger anerkannten Wolfsexperten haben das so getan. Günther Bloch, früher Hundetrainer, Elli H. Radinger, ehemalige Rechtsanwältin aber auch Frank Fass, früher einmal Luft- und Raumfahrttechnik-Ingenieur, heute Betreiber eines Wolfcenters, gehören zu diesem Personenkreis.
„Einem Ingenieur ist nichts zu schwör“, heißt es im Volksmund. Und doch offenbart diese Volksweisheit hin und wieder ihre Grenzen, auch wenn der Grenzverlauf manchmal unsichtbar bleibt.
Als gefragter Wolfsfachmann hält Frank Fass regelmäßig Vorträge, zuletzt in Ströhen im Europäischen Fachzentrum Moor vor großem Publikum. So berichtet es die „MK-Kreiszeitung.de“ auf ihrer Webseite. (*1)
Für Zeitungsredakteure ist es ja nicht immer leicht, die Inhalte eines solchen Vortrags in wenigen Zeilen zusammenzufassen. Häufig beschränken sie sich deshalb auf die wichtigsten Kernaussagen und ich unterstelle dem Verfasser Gerhard Scheland einmal, dass er es genauso gemacht hat.
Demnach gab Frank Fass in Ströhen zu bedenken, „dass der strenge Schutz nicht über Jahrzehnte aufrecht erhalten werden kann“.
Es geht natürlich um den deutschen Wolf. Und indirekt auch um die westpolnischen Exemplare, weil beide Teilpopulationen zusammen die so genannte zentraleuropäische Tieflandpopulation, oder anders, die mitteleuropäische Flachlandpopulation ergeben.
Warum eigentlich nicht?, möchte man hier nachfragen. Es wird dem Vortragenden nicht entgangen sein, dass der strenge Schutz der Wölfe schon lange Jahre existiert und ob wir jemals die für eine Lockerung des Schutzstatus erforderlichen 1000 erwachsenen Wölfe in der benannten Wolfspopulation haben werden, kann zu diesem Zeitpunkt eigentlich noch keiner wissen. Unwahrscheinlich ist es dennoch nicht.
Aus anderen Presseberichten über ihn weiß man, dass Fass nicht selten daraus schließt, dass der Wolf früher oder später dem Jagdrecht unterstellt wird. Für ihn als Jäger scheinbar eine unumgängliche Schlussfolgerung. Leider aber auch eine eindimensionale.
Für mich als Jagdscheininhaber klingt das eher unlogisch. Warum erkläre ich später. Denn vorher möchte ich noch auf die zweite zweifelhafte Aussage von Frank Fass zu sprechen kommen. Er plädiert nach wie vor dafür, die Goldenstedter Wölfin, der zahlreiche Nutztierrisse in Norddeutschland zur Last gelegt werden, „durch autorisierte Personen zu erschießen“. In jüngster Zeit war diese Wölfin allerdings eher unauffällig.
Nun hat fast jeder eine Meinung zum Wolf. Das ist völlig legitim. Derartige Diskussionen sind deshalb nicht selten höchst emotional.
Doch was ich im konkreten Fall bedenklich finde, ist die Eindimensionalität der Argumentation und die „alternativlose“ Sichtweise von Frank Fass. Ich mag ihm das kaum vorwerfen, weil er vermutlich nicht wirklich aus seiner Haut raus kann.
Als Ingenieur lernst du überwiegend, auf der Basis linearer mathematisch-physikalischer Modelle ein hoffentlich professionelles und gutes Arbeitsergebnis zu errechnen und zu erreichen. Deutschlands Ingenieure gehören dabei nach wie vor zur Weltspitze.
Management jedoch und so auch das Wolfsmanagement muss sich dadurch auszeichnen, dass es in Szenarien denkt. Und zwar in verschiedenen Szenarien. Woher ich das weiß? Ich habe es selbst so gelernt und auch so praktiziert.
Und deshalb kann man meines Erachtens nicht hingehen und ständig öffentlich die frühere oder spätere Bejagung und bereits heute die Aufweichung des Schutzstatus postulieren, nur weil einem nichts Besseres dazu einfällt.
Wenn ich diversen Wolfs- und Herdenschutzarbeitskreisen vorstehe und dadurch eine gewisse öffentliche Reputation genieße, dann sollte ich bei meiner Mission die diskutierten Szenarien in ihrer gesamten Bandbreite objektiv und nicht nur die eigene Sichtweise zu den Sachverhalten darstellten und bewerten. Es sei denn, ich verfolge einen politischen Auftrag.
Die seriösen Alternativszenarien liegen nämlich auf der Hand und auch Frank Fass dürften sie nicht unbekannt sein:
- Wir wissen heute noch nicht, ab wann wir uns über eine Schutzstatusänderung beim Wolf kümmern müssen. Sobald wohl noch nicht. Wir sind nämlich noch weit davon entfernt, 1.000 erwachsene Tiere in der deutsch- westpolnischen Population zu haben.
- Einige Zeitgenossen – nicht selten die Jäger selbst– plädieren dafür, den Wolf alsbald ins Jagdrecht aufzunehmen. Dagegen sprechen jedoch viele Argumente. Allen voran, dass das Jagdrecht in seiner heutigen Form kaum ein ernstzunehmendes Management der Wolfspopulation ermöglicht. Bezweifelt werden darf auch, ob es der richtige Weg ist, menschliche Jäger auf die großen Beutegreifer loszulassen. Bei den Beutetieren beider, von Wolf und Mensch – wie z. B. Rot-, Reh- und Damwild – sind sie nämlich Konkurrenten.
- Andere plädieren dafür, für die großen deutschen Beutegreifer Wolf und Luchs ein eigenes, vom Jagdrecht unabhängiges nachhaltiges Management aufzusetzen. Und derzeit deutet vieles für den aufmerksamen Beobachter darauf hin, dass genau dieser Weg bereits beschritten wird.
Zuletzt noch ein Wort zur Goldenstedter Wölfin. Wenn ich wie Frank Fass Mitglied des Arbeitskreises Wolf in Niedersachsen wäre und darüber hinaus noch einer Arbeitsgruppe Tierhalter angehören würde, also Positionen bekleide, die öffentliche Aufmerksamkeit genießen und auch eine gewisse Einflussnahme ermöglichen, sollte ich – so mein Empfinden – meine Sicht- und öffentliche Argumentationsweise mindestens auf die Vorgaben der Wolfsmanagementpläne und der EU-Richtlinien abstellen. Dort heißt es, dass Wölfe nur dann „entnommen“ werden sollen, wenn vorher alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft wurden. So ist es aber bisher nicht.
Meiner Ansicht nach hat Frank Fass als „Multifunktionsexperte“ und als Berater eines niedersächsischen Ministeriums diese gesetzlich verankerten Regelungen in besonders vertrauenswürdiger Weise nach außen zu vertreten.
Warum also zweifelt er öffentlich die vom Ministerium vorgesehenen Vergrämungsmaßnahmen an und warum plädiert er für einen (vorzeitigen) Abschuss, anstatt die Goldenstedter Wölfin als Prototyp für neuartige und wirksame Herdenschutzmaßnahmen zu verstehen?
Nein, wenn ich so richtig darüber nachdenke, passt da für mich so einiges nicht zusammen….
Herzlichst
Ihr
Jürgen Vogler
(Quelle: (*1) MK – kreiszeitung.de, www.kreiszeitung.de, Artikel von Gerhard Scheland: „Experte: Konfliktarmes Zusammenleben mit Wölfen ist möglich“ vom 19.04.2016, abgerufen am 20.04.2016, hier der Link!)