Empörung in Polen: Wisent „Gozubr“ in Deutschland erschossen – Wolfsmonitor

Empörung in Polen: Wisent „Gozubr“ in Deutschland erschossen

In Polen war er angeblich so beliebt wie seinerzeit Eisbär „Knut“ in Berlin. Ein etwa 900 Kilogramm schwerer Wisentbulle, dem man den Spitznamen „Gozubr“ (unser Wisent) verlieh, wurde am Mittwoch ein kurzer Ausflug nach Brandenburg zum Verhängnis.

Der Lebuser Ordnungsamtsleiter ordnete an, das streng geschützte Tier zu erschießen. Zwei Jäger vollzogen den Abschuss. Die Begründung: Es habe keine andere Möglichkeit gegeben, nachdem man weder einen Besitzer des Tieres noch einen Tierarzt mit einem passenden Betäubungsgewehr gefunden habe.

Empört ist man sowohl in Polen, wo das Tier offenbar mehrere Jahre unbehelligt durch Städte und Dörfer lief, ohne jemanden etwas zuleide zu tun, als auch bei den Grünen in Brandenburg, bei Tierfreunden im Netz, sowie im Umweltministerium in Brandenburg. Weder das Ministerium noch das Landesumweltamt seien in die Entscheidung eingebunden gewesen.

Der WWF zeigte den Ordnungsamtsleiter an. Der NABU-Landesverband Brandenburg zeigte hingegen Verständnis für die Entscheidung, was jedoch im Netz bei zahlreichen NABU-Mitgliedern für weiteres Entsetzen sorgte.

Und warum lesen Sie nun diese Nachricht ausgerechnet auf Wolfsmonitor? Wisente gehören nach § 2 Bundesjagdgesetz (BJagdG) zu den jagdbaren Arten, sind jedoch nicht in der Bundesjagdzeitenverordnung (BJagdZ-VO) aufgeführt. Somit genießen Wisente ganzjährige Schonzeit. Sie sind wie Wölfe streng geschützt, nämlich durch das Bundesnaturschutzgesetz ( § 7 Abs. 2 Nr. 14) und die FFH-Richtline (Anhang II und IV).

Wisent „Gozubr“ soll – so ein Gerücht – demnächst als Präparat im Heimatmuseum Lebus ausgestellt werden.


P.S.: Die WWF-Pressemeldung dazu im Wortlaut:

WWF stellt Strafanzeige wegen Wisent-Abschuss in Lebus

Berlin, 15.9.2017: Ein freilaufender Wisent ist in Brandenburg bei Lebus (Märkisch-Oderland) von einem Jäger erschossen worden. Die Anordnung dazu hat der Lebuser Ordnungsamtsleiter erteilt. Gegen ihn hat der WWF Deutschland heute Strafanzeige gestellt.

„Die Abschussfreigabe eines streng geschützten Tieres ohne ein ersichtliches Gefährdungs­potential ist eine Straftat“, begründet WWF-Vorstand Naturschutz Christoph Heinrich den Schritt. „Nach über 250 Jahren ist ein Wisent in Deutschland gesichtet worden und alles was dem Ordnungsamt einfällt, ist der Abschuss.“

Gefahren für die öffentliche Sicherheit gehen von einem wildlebenden Wisent nicht aus. Dass das artspezifische Verhalten von Wisenten für den Menschen keine Bedrohung ist, haben sowohl in Polen als inzwischen auch in Deutschland erfolgreich durchgeführte Projekte mit wildlebenden Wisenten gezeigt.

Die Medienberichte verdeutlichen auch, dass den Akteuren in der Gemeinde bekannt war, dass der Wisent zuvor in Polen gelebt hat. Durch den Grenzübertritt wird er nicht gefährlicher als zuvor und hat durch sein Verhalten augenscheinlich auch nicht einmal den Verdacht einer Gefährdung von Menschen verursacht.

„Der Abschuss ist leider auch Ausdruck der Hilflosigkeit der Behörden, wie sie mit Wildtieren umgehen sollen“, so Heinrich. „Das Land Brandenburg zeigt sich im Wildtiermanagement auch bei Wolf und Elch in den letzten Jahren schon als wenig professionell. Es fehlt an fachlich geschultem Personal in der Fläche. Hier ist jetzt Herr Vogelsänger gefragt. Der Landesumweltminister muss Stellung beziehen.“

Erschwerend kommt hinzu, dass der Ordnungsamtsleiter eindeutig seine Kompetenzen überschritten hat, da die gemäß § 45 Abs. 7 Bundesnaturschutzgesetz (BNatschG) bei der nach Landesrecht für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörde, also dem Ministerium, liegen.

Zur rechtlichen Einordnung: Die Anordnung zum Abschuss des Wisents war gem. § 44 Abs. 1 S. 1 BNatSchG i.V.m. §§ 71 Abs. 1 Nr. , § 69 Abs. 2 Nr. 1 b) BNatSchG strafbar. Der Wisent ist eine in den Anhängen II und IV FFH-RL verzeichnete und daher streng geschützte Art im Sinne § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatschG. Zugleich lagen die Ausnahmevoraussetzungen des § 45 Abs. 7 BNatSchG offensichtlich nicht vor.

KONTAKT: Corinna Seide , Pressestelle , Tel.: 030 311 777 422, corinna.seide@wwf.de


Quellen:

(*1) rbb24 am 15.9.2017: „Tier in Polen offenbar bekannt – Abschuss von Wisent sorgt für Empörung“, abgerufen am 15.9.2017, hier der Link!

(*2) wwf.de am 15.9.2017: „Wisent wurde Opfer von Behördenversagen“, abgerufen am 15.9.2017, hier der Link!


Beitragsfoto: Heiko Anders, www.andersfotografiert.com

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