„Wenn die Wölfin den Trick raus hat und den (elektrischen – Anm.d.R.) Zaun überwindet, gibt sie diese Erfahrungen an ihre Welpen weiter“, wird der niedersächsische Landtagsabgeordnete und Präsident des Zentralverbandes der Jagdgenossenschaften und Eigenjagden in Niedersachsen (ZJEN), Hans-Heinrich Ehlen, am 11. April in der Lingener Tagespost (NOZ) zitiert.
Soweit die „graue Theorie“. Für diese recht „steile These“ fehlt es allerdings bis heute an jeglichem Beweis in unseren Breiten.
Zwar ist es fast eine Binsenweisheit, dass das Elternpaar eines Wolfsrudels im Herbst damit beginnt, dem Nachwuchs desselben Jahrgangs die wolfsüblichen Jagdweisen beizubringen.
Dass dazu allerdings eine spezielle „Lehrstunde“ im Überwinden von Herdenschutzzäunen gehört, darf meines Wissens getrost in das Reich der Legenden verwiesen werden.
Nicht, dass dieser Fall nicht durchaus denkbar wäre, es bräuchte dazu allerdings einen Wolf, der sich tatsächlich real darauf spezialisieren würde, größtenteils geschützte Nutztiere zu reißen. Bei rund 600 Wölfen in Deutschland ist so ein Fall bis heute jedoch nicht bekannt.
Selbst die für ihre hohen Risszahlen bekannte Goldenstedter Wölfin „verging sich“ mit wenigen Ausnahmen an Schafen, die nicht wolfsgerecht geschützt waren.
Sie bewies damit quasi im gleichen Atemzug, dass das Schadensmaß von Wolfsübergriffen grundsätzlich in keinem Zusammenhang zur Wolfsdichte steht, eine potenzielle Bejagung der Wölfe also auch in dieser Hinsicht genau so wenig sinnvoll ist, wie die Diskussion um Obergrenzen.
Im Gegenteil, diese Wölfin zeigte uns, dass Herdenschutzmaßnahmen bereits dort, wo auch nur ein einzelner Wolf heimisch wird, unumgänglich sind.
Und dennoch muss ausgerechnet die „Lehrstunden-Legende“ bei Ehlen als Begründung für die Forderung herhalten, den Wolf „mittel oder langfristig“ ins Jagdrecht aufzunehmen.
Auch das darf letztlich als deutliches Zeichen dafür gewertet werden, wie dünn die Argumentationsbasis für diesen Schritt bei dessen Befürwortern tatsächlich ist.
Dass der ZJEN- Präsident nicht unbedingt als Freund freilebender Wölfe gilt, zeigte er bereits an anderer Stelle.
Im vergangenen Monat bezeichnete er auf einer Veranstaltung in Uelzen Herdenschutzmaßnahmen wie „Zäune, Hütehunde und Herdenschutzesel“ als „Sachen, die für Theoretiker sind, … ich sag’ mal, für Träumer.“ (hier!)
Ehlen wird kein weiteres Mal für den niedersächsischen Landtag kandidieren. (*2) Darüber, ob er weiterhin ZJEN- Präsident bleibt, gab eine kurze Recherche im Internet keinen Aufschluss.
Allen treuen Wolfsmonitor-Leserinnen und Lesern wünsche ich ein frohes Osterfest!
Ihr
Jürgen Vogler
Quelle:
(*1) Neue Osnabrücker Zeitung, Ausgabe Lingener Tagespost, www.noz.de, Artikel von Heinz Krüssel am 11.04.2017: „Hohe Elektrozäune halten den Wolf nicht ab“
(*2) MK-Kreiszeitung, www.kreiszeitung.de, am 9.4.2017: „Marco Mohrmann folgt Hans-Heinrich Ehlen im Amt des CDU-Kreisvorsitzenden“, abgerufen am 14.4.2017, hier der Link!