Vergrämen, aber wie? – Wolfsmonitor

Vergrämen, aber wie?

Der junge Wolf aus dem Munsteraner Rudel, mit dem einige Menschen in den letzten Wochen so genannte „Nahbegegnungen“ hatten, – offiziell „MT6“ (das ist die wissenschaftliche Telemetriebezeichnung) und von Wolfsbefürwortern liebevoll „Kurti“ genannt – ist nun offiziell der erste „breit“ bestätigte „auffällige“ Wolf in Deutschland.

Er erfüllt demnach alle Kriterien, die einst sowohl in den Managementplänen der Länder als auch in diversen anderen Veröffentlichungen des Bundes für „verhaltensauffällige“ Wölfe festgelegt wurden.

Das ist bei Wolfsfreunden jedoch nach wie vor umstritten, da „Kurti“ sich ihrer Ansicht nach bei keiner Gelegenheit einem Menschen gegenüber aggressiv zeigte und vermutlich nur auf die sie begleitenden Hunde fixiert war.

Da jedoch wohl keiner ausschließen kann, dass Menschen bei einer Wolfsnahbegegnung falsch reagieren, sieht man von offizieller Seite nun durchaus ein mögliches Gefahrenpotenzial in der geringen Fluchtdistanz, die MT6 zuletzt zeigte.

Und da das niedersächsische Umweltministerium stets betonte und weiterhin betont, dass die Sicherheit der Menschen bezüglich freilebender Wölfe stets an erster Stelle steht, sehen sich die Verantwortlichen nun zum Handeln gezwungen.

Zu dieser Einschätzung kam auch die neu eingerichtete „Dokumentations- und Beratungsstelle des Bundes zum Thema Wolf“, die kürzlich für den weiteren Umgang mit MT6 ein „gestuftes Verfahren“ vorschlug.

Als erste Stufe wurde deshalb die professionelle Vergrämung als Versuch empfohlen, das Tier wieder dazu zu bewegen, eine ausreichende Distanz zu Menschen zu bewahren.

MT6 soll demnach möglichst „negativ konditioniert“ werden, und zwar von jemanden, der sich sowohl praktisch mit freilebenden Wölfen als auch professionell mit der Vergrämung freilebender Großkarnivoren auskennt.

Man wurde bei der Suche nach solch einer Expertise sogar fündig: Das „Swedisch Wildlife Damage Centre“ in Grimsö ist europaweit wohl die einzige Einrichtung, die diesen Erfordernissen entspricht.

Vergrämung von MT6

In der ersten Märzhälfte – also quasi in diesen Tagen – soll mit der „Vergrämung“ unter der Anleitung der oder des schwedischen Experten begonnen werden. Wenn ich alle ausgewerteten Informationen richtig verstanden habe, dürfte es folgendermaßen ablaufen:

Die erste Herausforderung: MT6 muss nach dem Ausfall der GPS-Funktion seines Sendehalsbandes im Dezember aufwändig mit dem sogenannten „Kreuzpeilverfahren“ geortet werden. Und das ist bei dem riesigen Streifgebiet des Wolfes nicht einfach.

Dazu bedarf es einer Telemetrieantenne, um die Himmelsrichtung, in die sich der Wolf mit dem Sendehalsband bewegt, zu ermitteln. Diese Antennen funktionieren jedoch, je nach Gelände und dessen Bewuchs, nur bis zu einer Entfernung von rund einem Kilometer Abstand zum Sendehalsband.

Idealerweise benötigt man sogar mindestens zwei Antennen, um den Standort des Senders festzulegen, denn der ermittelte Schnittpunkt beider Signalrichtungen ergibt den genauen Standort des Wolfes, der das Sendehalsband trägt.

Wiederholt man nun diese Messungen in kurzen Abständen, lässt sich eine Bewegungsrichtung ermitteln. Nun können die „Vergrämer“ instruiert werden, die sich dann mit ihren (zum Beispiel) Gummigeschossen zu dem genannten Ort aufmachen, um den Wolf dort „aversiv“ zu „konditionieren“, also punktgenau eine Aversion beim Wolf für eine bestimmte Situationen zu bewirken.

Dabei gilt der Grundsatz, dass diese Art der Vergrämung an mindestens fünf verschiedenen Orten in fünf unterschiedlichen Situationen und dazu noch zu unterschiedlichen Tages- und ggf. auch Nachtzeiten durchgeführt werden muss, damit solche Maßnahmen überhaupt nachhaltig funktionieren können.

Wichtig ist: MT6 muss aus diesen gegen ihn gerichteten Maßnahmen nun auch noch den richtigen Schluss ziehen, nämlich den, dass eine Annäherung an Menschen grundsätzlich unangenehm für ihn sein kann, und zwar auch, wenn ein Mensch kein Vergrämungsgewehr trägt oder sogar in Begleitung eines Hundes ist.

Nicht gering, die Herausforderung! Aber hoffentlich machbar, denn die Alternative wäre der erste Wolf, der in Deutschland offiziell „entnommen“ werden würde.

Ich zumindest wünsche den Verantwortlichen eine gehörige Portion Glück für ihr Unterfangen!

Herzlichst

Ihr

Jürgen Vogler