Nun hat auch das bisherige „Wolfserwartungsland“ Nordrhein-Westfalen seinen Wolfsmanagementplan. Zwar handelt dieser „Handlungsleitfaden“ vorerst ausschließlich vom „Auftauchen einzelner Wölfe“, dennoch gibt er erste Hinweise darauf, wie mit den Rückkehrern in NRW künftig umgegangen werden soll, wer also welche behördliche Zuständigkeit hat und wie mit den Wölfen im Einzelfall verfahren werden soll.
Ein besonderer Blick gilt üblicherweise der Einschätzung, ab wann ein Wolf als „auffällig“ zu betrachten ist oder was eigentlich „normales“ Wolfsverhalten ist. Darüber wird – wie jüngst häufig in Niedersachsen – immer wieder gestritten. In dem neuen Papier ist dazu folgendes zu lesen:
„Wölfe leben bereits heute in Teilen Deutschlands in direkter Nähe zum Menschen. Es gehört zum normalen Verhalten, dass sich Wölfe auch tagsüber von bewohnten Gebäuden aus beobachten lassen. Nachts können gelegentlich Dörfer durchquert werden. Die Erfahrungen v.a. aus Sachsen und Brandenburg zeigen, dass hieraus in der Regel keine Gefährdung des Menschen resultiert. Schäden durch Wölfe an Haus- und Nutztieren können durch Präventionsmaßnahmen erfolgreich begrenzt werden. Das Töten von Wild- wie Haustieren ist dabei nicht als aggressive Handlung zu verstehen: es dient dem Nahrungserwerb. Trotzdem gibt es gelegentlich Wölfe, die ein davon abweichendes Verhalten zeigen und deswegen dem Menschen besondere Probleme bereiten.
Unter auffälligen Wölfen werden Tiere verstanden, die dreistes Verhalten aufweisen, das zur Gefährdung eines Menschen führen kann. Auch notorisches Verhalten (z.B. wenn ein Wolf sich selbst durch Präventionsmaßnahmen nicht vergrämen lässt), das zu Akzeptanzverlust führen kann und damit der gesamten Wolfspopulation schadet, wird hierunter verstanden. Ein auffälliges Verhalten bedeutet fast immer, dass unerwünschtes Verhalten wiederholt und teilweise auch mit steigender Intensität gezeigt wird.
Verursachen Wölfe in Gegenden mit schlechtem Schutz der Nutztiere hohe Schäden, lässt allein dies nicht auf auffällige Wölfe schließen. Sie verhalten sich ganz normal am „gedeckten Tisch“. (*1)“
Etwas restriktiver lässt sich das Ganze dann bewerten, wenn man sich in dem Managementplan den Punkt „Problemwölfe“ etwas genauer ansieht. Zwar weist man eindrücklich darauf hin, dass man sich bei den exemplarischen Handlungsempfehlungen an das im Jahr 2007 von Ilka Reinhardt und Gesa Kluth erstellte BfN-Skrit 201 „Leben mit Wölfen“ sowie dem „Bericht des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit zur Lebensweise, zum Status und zum Management des Wolfes (Canis lupus) in Deutschland aus dem November 2015 (BmUNBR)“ anlehnt, man scheint dennoch schneller als anderswo gewillt zu sein, Wölfe zu „entfernen“.
Lautet im BfN-Skript noch die Handlungsempfehlung für den Fall, dass ein Wolf sich mehrfach Menschen mit Hunden nähert und dabei aggressiv auf die Hunde reagiert, man solle ihn „möglichst im Anfangsstadium besendern und negativ konditionieren“ und erst „bei Nichterfolg entfernen“(*2), so lautet die entsprechende Handlungsempfehlung für vergleichbare Fälle in NRW nun für diesen Fall einsilbig „Entfernen“.
Sollten einzelne Wölfe gelernt haben, dass Hunde eine einfache Beute sind, so empfehlen Reinhardt und Kluth die „Hunde, wenn möglich zu schützen“ und erst bei „Nichterfolg – soweit der Populationsstatus der Wölfe dies erlaubt – die Entfernung“ des entsprechenden Wolfes.
In Nordrhein-Westfalen heißt die Empfehlung abermals lapidar „Entfernen“.
In dem entsprechenden BmUNBR- Bericht wird darüber hinaus wieder etwas anders klassifiziert und argumentiert.
Auch wenn zu erwarten ist, dass man sich seitens des Landes NRW bei vermeintlichen Problemfällen – ähnlich wie zuletzt in Niedersachsen – zuerst an die neue Wolfs- Beratungs- und Dokumentationsstelle des Bundes wenden wird, um Rat zu erfragen, liegt hier vermutlich ein „Sprengsatz“ verborgen, der – wenn es erst einmal so weit ist – zu weitreichenden Irritationen und vielleicht auch zu vielfältigen politischen Diskussionen führen kann.
Spätestens dann werden erneut die Stimmen laut, die bereits seit längerer Zeit eine bundesweite Vereinheitlichung des Wolfsmanagementrahmens fordern.
Eine Aktualisierung des BfN-Skrit 201 „Leben mit Wölfen“ aus dem Jahr 2007 wurde von mir bereits an anderer Stelle gefordert. Sie erscheint längst überfällig. Damals sprachen wir noch von zwei Wolfsrudeln und einigen vereinzelten Wölfen. In ganz Deutschland wohlgemerkt!
Eine bundesweite „Harmonisierung“ der Handlungsempfehlungen in den Managementplänen ist darüber hinaus empfehlenswert, um weitreichende Irritationen in Politik und Gesellschaft zu vermeiden. Ich verweise an dieser Stelle abermals auf den noch ausstehenden „Reaktions- und Notfallplan“, wie ihn der Linnell-Report (auch „NINA-Studie“ genannt) bereits Anfang des Jahrtausends vorschlug. Auch er könnte übrigens bei einer Überarbeitung des Handlungskonzepts „Leben mit Wölfen“ erstmals mit ausgearbeitet werden.
Herzlichst
Ihr
Jürgen Vogler
Quellen:
(*1) Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen: „Wolfsmanagementplan für NRW – Handlungsleitfaden für das Auftauchen einzelner Wölfe“, Recklinghausen 2016, Seite 26 ff., hier der Link!
(*2) Ilka Reinhardt und Gesa Kluth: „Leben mit Wölfen – Leitfaden für den Umgang mit einer konfliktträchtigen Tierart in Deutschland, BfN-Skripten 201, 2007, Seite 114 ff., hier der Link!