Präventionsmaßnahmen für Pferdehalter
Das Stimmungsbild in der Gesellschaft ist in punkto Wolf ebenso breit gefächert wie die verschiedenen Ansprüche und Erwartungshaltungen der jeweiligen Interessengruppen. Im Bemühen um eine bestmögliche Akzeptanz des Wolfes mit all den einhergehenden Herausforderungen, die seine Rückkehr mit sich bringt, entwickelt die Politik der unterschiedlichen Bundesländer im Rahmen von Wolfmanagementplänen, Richtlinien und Konzepten wegweisende Entscheidungsgrundlagen.
Diese sollen, gestützt durch aufklärende Öffentlichkeitsarbeit, gezieltes Monitoring und Optionen für Schadenprävention und -ausgleich, das Konfliktpotenzial zwischen Mensch und Wolf möglichst gering halten.
Doch die Forderungen vor allem der Nutztierhalter und zunehmend nun auch von Akteuren der Pferdebranche werden immer lauter.Kritik und Vorwürfe, die Politik sei unzureichend auf Isegrims Heimkehr vorbereitet und die Unterstützung für Betroffene nur mangelhaft, halten die politischen Entscheidungsträger in einigen Bundesländern in Atem. Doch es wird aufgerüstet: Ehrenamtliche Wolfsberater und neu etablierte Wolfsbüros kümmern sich um Information und Belange der Öffentlichkeit. Präventions- und Ausgleichszahlungen stehen immer wieder auf der Agenda. Die „wolfspolitischen Fahrpläne“ gestalten sich jedoch von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich – je nachdem, wie nah der Wolf gerückt ist.
Doch eine gute Vorbereitung auf die Situation, Wolfsgebiet zu werden ist sinnvoll, denn von der weiteren Ausbreitung des großen Beutegreifers ist auszugehen. Womit wir beim Thema wären: Prävention.
Die Tradition des Herdenschutzes, wie der Einsatz von Arbeitshunden, nächtliche Behirtung sowie Zaunbau, war bis Mitte des 19. Jahrhunderts, bevor die Wölfe in Deutschland ausgerottet wurden, auch bei uns gang und gäbe. Diese Vorsichtsmaßnahmen waren seit rund 150 Jahren nicht mehr erforderlich und gerieten so in Vergessenheit. Nun gilt es, sich wieder auf „altes“ Wissen rückzubesinnen. Welche Herdenschutzhunde sind für welchen Einsatz besonders geeignet? Welche Zaunsysteme wehren Wölfe am zuverlässigsten ab? Diese und andere Fragen müssen durch Erprobung neu beantwortet werden.
Spezielle Zäune und Herdenschutzhunde zeigen bereits aktuell bei Schaf- und Ziegenherden einen funktionierenden Schutz gegen Beutegreifer jeder Art. Diese Methoden gilt es nun auszubauen. In der Theorie ganz klar, in der Praxis zeitaufwendig, kostspielig und nicht immer praktikabel. Welche Verbreitung diese Schutzmaßnahmen finden werden, wird die Zukunft zeigen.
Ob man nun der Meinung ist, auch Pferde seien durch den Wolf gefährdet und benötigten besonderen Schutz oder nicht … Wirksame Optionen der Prävention bestehen. Doch lassen sich die verschiedenen Methoden auch auf die Pferdehaltung übertragen? Nicht jeder Weg ist für jeden Pferdehalter gangbar. Und somit stehen sie vor der Herausforderung, individuelle Lösungen zu schaffen.
Der Einsatz von Herdenschutzhunden ist bei Schafen seit Jahrhunderten bewährt. Ihr Beschützen von Pferden ist hierzulande neu und noch kaum erprobt. Besonders bei Pensionsställen, bei denen sich zahlreiche Einsteller zwischen den Pferden bewegen, wird die Situation für einen Herdenschutzhund unübersichtlich. Ein Schutz der Herde ausschließlich bei Nacht wäre dann eventuell denkbar. Das Bewachen beispielsweise von Stuten- und Fohlenherden auf der Weide gestaltet sich dahingegen einfacher. Erfahrungswerte gibt es bisher jedoch kaum.
Es steht außer Frage, dass an solche Hunde besondere Anforderungen gestellt werden und die Beratung durch erfahrene Züchter und Ausbilder unverzichtbar ist. Die Arbeitsgemeinschaft Herdenschutzhunde e. V. ist für Interessierte ein möglicher Ansprechpartner.
Als weitere Herdenschutzmaßnahme, vor allem bei Schaf- und Ziegenherden, werden Esel diskutiert, da sie bei Gefahr „Alarm“ schlagen und recht forsch ihr Territorium unter anderem gegen Hundeartige verteidigen.
Sobald man die Bedürfnisse der Esel berücksichtigt, wird klar, dass sie keine Option als Herdenschützer darstellen. Zum einen sollten Esel aus Gesichtspunkten der artgerechten Haltung nicht als Einzelesel in einer Schaf-, Ziegen- oder Pferdeherde geführt werden. Sobald ein zweiter Esel Gesellschaft leistet, wird die Herde nicht mehr beschützt, da der andere Esel wahrscheinlich ausschließlich als beschützenswerte „Herde“ betrachtet wird. Zum anderen sind Esel relativ nässeempfindlich und vertragen außerdem eine dauerhafte Weidehaltung aufgrund der hohen Energiedichte des Grases nicht. Eine gefährliche Hufrehe wäre vorprogrammiert. Ihre wolfsabwehrende Wirkung ist schlichtweg wenig erprobt und zudem wissenschaftlich nicht bestätigt.
Selbst in Gegenden wie dem Balkan, Rumänien und der Slowakei, wo Schafe, Ziegen, Esel und Wölfe seit Jahrhunderten bis heute gemeinsam vorkommen, ist der Einsatz von Eseln zum Schutz gegen Wolfsangriffe nicht üblich.
Der Einsatz von Elektrozäunen in entsprechender Ausführung gilt als eine sehr wirkungsvolle Schutzmaßnahme. Selbst ohne die Abwehr von Wölfen zum Ziel zu haben, sollte der Verantwortung für intakte, ausbruchsichere Umzäunungen von Pferdeweiden stets Rechnung getragen werden – auch aus versicherungstechnischer Sicht. Immer wieder gehen Meldungen durch die Verkehrsnachrichten, in denen vor ausgebrochenen Pferden auf Straßen gewarnt wird. Oft mit verheerenden Folgen. Nicht selten sind mangelhaft instandgehaltene Zäune die Ursache für den gefährlichen „Ausflug“ der Pferde.
Um eine Weide wolfsicher einzuzäunen, sollten insgesamt wenigstens fünf Litzen gezogen werden: Die ersten drei unteren Litzen (zehn Millimeter Breitbandlitze wegen guter Sichtbarkeit) sind im Abstand von 20 Zentimetern zu setzen. Die vierte und fünfte Litze folgen mit 30 Zentimeterabständen. Eine zusätzliche Litze in unmittelbarer Bodennähe verhindert ein Unterbuddeln des Zaunes. Vor allem sollten Weiden so gestaltet sein, dass diese von Fohlen nicht verlassen und dadurch außerhalb der Weide nicht mehr von dem Muttertier und der Herde geschützt werden können.
Die artgerechte Haltung von Pferden in einer dauerhaft zusammenlebenden Herde bietet einen wirkungsvollen und natürlichen Schutz vor Angriffen durch Beutegreifer. Eine stabile, hierarchische Herdenstruktur mit Leittieren beziehungsweise einem schützenden Leithengst in weitläufigem Gelände ermöglicht Pferden gegebenenfalls sowohl eine Flucht als auch eine Verteidigung in Gefahrensituationen. Ein funktionierendes Nebeneinander von Fluchttier und Beutegreifer ist unter solch „fairen“ Umständen am ehesten möglich.
Vergleicht man jedoch unsere moderne Pferdehaltung mit ihren originären Lebensbedingungen, stellt man häufig entscheidende Unterschiede fest: Kleine Herden mit wechselnden (Pensions-) Pferden auf flächenmäßig stark begrenzten Weideflächen dominieren das Bild. Hengste werden nur in wenigen Fällen in gemischten Herden gehalten. Den natürlichen Bedürfnissen der Pferde entspricht diese heutige Haltungsform höchstens in ausreichendem Maß. Ein Grund dafür liegt unter anderem in unserer dicht besiedelten Kulturlandschaft. Weideflächen für größere Pferdeherden stehen fast nicht mehr oder nur in territorial sehr begrenzten Räumen zur Verfügung. Bei Betrieben mit Pensionspferdehaltung ist eine gewisse Fluktuation der Einsteller und damit eine wechselnde Konstellation der Pferdeherde üblich. Zudem müssen die Reitbetriebe den Anforderungen und Wünschen ihrer Kunden, beispielsweise nach kleinen, homogenen Herden, gerecht werden.
Bei der Fohlen- und Jungpferdeaufzucht ist die Haltung in gleichaltrigen Gruppen keine Seltenheit, aber gerade in Bezug auf den Schutz vor Beutegreifern könnte dies ein Sicherheitsrisiko darstellen. Altersgemischte Herden bieten den Vorteil, dass die älteren, erfahrenen Tiere sowohl eine souverän beruhigende als auch eine verteidigende Rolle in der Gruppe übernehmen können.
Wer auf „Nummer Sicher“ gehen möchte, kann seine Pferde nachts im Stall halten. Da Pferde jedoch, vor allem im Herdenverbund, wehrhaft sind, erfordert die aktuelle Situation diese Vorkehrung jedoch nicht zwingend – abgesehen von fohlenden Stuten oder jüngst geborenen Fohlen, die sicherheitshalber eines zusätzlichen Schutzes bedürfen. Einer konsequent artgerechten Haltung entspricht diese Variante dennoch nicht. Hier gilt es abzuwägen: Risikowahrscheinlichkeit gegen Naturorientierung.
Unumstritten bleibt, dass die optimale Pferdehaltung in Form einer alters- und geschlechtsgemischten größeren Herde auf ausreichenden Weideflächen besteht: sowohl im artgerechten Sinne als auch hinsichtlich der geringen Wahrscheinlichkeit eines Wolfsübergriffes. Die genannten Rahmenbedingungen stellen besondere Herausforderungen an die Lösungsfindungen. Doch mit einem offenen Umdenken ist ein erster Schritt in Richtung artgerechter Pferdehaltung getan. Und somit auch in Richtung Prävention mit Blick auf die Wolfsabwehr.
Die Autorin Wiebke Wendorff ist freiberufliche PR-Beraterin und studierte Sprach- und Medienwissenschaftlerin (M.A.). Die Arbeit mit dem geschriebenen Wort gehört zu ihren Leidenschaften. Informationen vermitteln, Wissenswertes begreifbar machen und erfolgreich kommunizieren – diese Intentionen hat sie sich auf ihre Centauri-Kommunikation-Flagge geschrieben (hier der Link zur Centauri-Webseite!). Ihre Jahrzehnte währende Liebe für das wunderbare Geschöpf Pferd und ihr vitales Interesse an dem faszinierenden Wildtier Wolf riefen in ihr einen Wunsch hervor: Zwischen den scheinbar unvereinbaren Welten dieser beiden Tierarten und ihren menschlichen Anhängern zu vermitteln. Im evipo-Verlag erschien kürzlich ihre ethisch motivierte Broschüre „Pferd und Wolf – Alte Bekannte oder neue Gefahr? (Weitere Informationen zur Broschüre erhalten Sie nach einem „Klick“ auf das nachfolgende Broschürenfoto!)