Wir wissen nicht, wie viele Wölfe in Niedersachsen noch auf der geheimen Abschussliste stehen, seitdem das operative Wolfsmanagement dort von Umweltminister Olaf Lies zum „Staatsgeheimnis“ erhoben wurde. Und das angeblich, um die beim Abschuss beteiligten Protagonisten vor Bedrohungen aus der Bevölkerung zu schützen. Was wir wissen ist, dass seitdem in Niedersachsen drei Wölfe mit Hilfe von Ausnahmegenehmigungen getötet wurden und drei Mal jeweils ein falscher Wolf Opfer dieser fragwürdigen Politik wurde.
Was wir außerdem nicht konkret wissen ist, welche Schutzmaßnahmen die betroffenen Nutztierhalter jeweils getroffen hatten, bevor ihre Tiere Opfer der Wolfsübergriffe wurden, die schließlich zur Ausnahmegenehmigung führten. Auch das scheint weitestgehend zum Staatsgeheimnis erhoben worden zu sein. Es werden zwar Schadenssummen beziffert, diese dürften jedoch überwiegend den zahlreichen erfolglosen Versuchen geschuldet sein, einzelnen Wölfen nachzustellen und sie zu „entnehmen“ (den Rodewalder Leitrüden GW717m versucht man seit Januar 2019 zu erschiessen). Dieses Geld wäre vermutlich besser in konkrete Wolfsschutzmaßnahmen wie Schutzzäune und Herdenschutzhunde investiert worden.
Es gab über das „Wolfsmanagement in Niedersachsen“ allerhand Klagen von Verbänden und Einzelpersonen, nur scheint dies dem Umweltministerium offenbar gleichgültig zu sein, weil man sich nach der Anpassung des Bundesnaturschutzgesetzes (§45a) dort offensichtlich auf der juristisch sicheren Seite wähnt.
Und ja, diese Änderung wurde von den maßgeblichen Regierungsparteien in den Bundesländern mitgetragen und ja, von einer Sternstunde insbesondere der grünen Regierungsfraktionen dort, wo sie an der Regierung beteiligt waren, kann bei diesem angeblichen grünen Kernthema, dem Artenschutz, kaum die Rede sein.
In Niedersachsen befindet man sich nun also in dem befürchteten Circulus Vitiosus, einem Teufelskreis, denn in den Veröffentlichungen des Umweltministeriums zu den Abschüssen wird stets darauf hingewiesen, dass sukzessive jeweils ein weiteres Mitglied des Rudels bis zum Ausbleiben weiterer Schäden getötet werden darf. Offenbar in der eingeübten Art und Weise und damit erst im Nachhinein beurteilbar.
Nicht ausgeschlossen, dass mit der Zeit auf diese Weise ganze Rudel verschwinden, denn gerade die adulten Tiere, das zeigt die Vergangenheit und insbesondere Leitrüde GW717m, verstehen es besonders gut, sich nachstellenden Jägern effektiv zu entziehen.
Doch auch nach deren Abschuss werden weitere Nutztierschäden kaum ausbleiben, wenn die jeweiligen Wolfsschutzmaßnahmen vor Ort unzureichend sind, denn freie Wolfsreviere werden schnell durch neue Wölfe und Rudel besetzt.
Aufhorchen lässt zudem die veröffentlichte Pressemeldung des Umweltministeriums zum Abschuss des Wolfes bei Nienburg (Weser). Dort heißt es, dass die ein- bis zweijährige Wölfin „in der Nacht zum 7. April“ erlegt wurde. Hier sind demnach berechtigte Zweifel angebracht, ob der Schütze aufgrund des vermutlich kaum noch vorhandenen Tageslichtes überhaupt in der Lage war, das Tier sauber „anzusprechen“, also präzise vor der Schussabgabe zu identifizieren, ob es sich hier wirklich um den zum Abschuss freigegebenen Leitrüden GW717m handelte. Selbst die besten Nachtsichtgeräte, wenn denn eines eingesetzt wurde, dürften hier kaum eine verlässliche Hilfestellung bieten.
Das Ergebnis kennen wir. Fehlt nur noch, dass sich im Nachhinein herausstellt, dass die erschossene Wölfin Nachwuchs erwartete.
Der nun erreichte Circulus Vitiosus birgt die Gefahr, dass er dahingehend eskaliert, dass immer mehr (geheime und damit nur schwer überprüfbare) Abschuss-Ausnahmegenehmigungen ausgesprochen werden, wenn Nutztierschäden nur ausreichend hoch erscheinen und infolgedessen weiterhin die falschen (eigentlich streng geschützen) Wölfe erschossen werden.
Oder anders: Was braucht es eigentlich neben diesen drei fatalen Fehlabschüssen noch, um zu erkennen, dass der eingeschlagene niedersächsische Weg eindeutig ein Holzweg ist?
Vorgestern wurde in den sozialen Medien die Situation der an den Abschüssen beteiligten Jägerschaft treffend von der „Gruppe Wolf Schweiz“ kommentiert. Dort glaubt man, dass der örtlichen Jägerschaft offenbar jegliche Kenntnisse darüber fehlen, Wölfe korrekt nach Alter und Geschlecht anzusprechen.
Weiter heißt es: „Für das Image der Jägerschaft wird es nicht sonderlich förderlich sein, wenn man sich für ein intransparentes Wolfsmanagement einspannen lässt und dann noch einen Fehlabschuss nach dem anderen verursacht.“
Dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen…