Wölfe als unverhältnismäßiges Wahlkampfthema – Wolfsmonitor

Wölfe als unverhältnismäßiges Wahlkampfthema

Wie Tageszeitungen sichtlich auf den Wahlkampf einwirken können, zeigten heute die schweren Geschütze der Neuen Osnabrücker Zeitung (NOZ). Vorgestern noch stellte CDU-Kandidat Bernd Althusmann die Landfrauen-Vorsitzende Barbara Otte-Kinast als seine neue Landwirtschaftsministerin für den Fall vor, dass die CDU die Landtagswahl im Oktober in Niedersachsen gewinnt (WM berichtete, hier!)

Und die Schattenkabinettskämpferin hatte offenbar nichts Besseres zu tun, als erst einmal die Wölfe für allerlei Unbill verantwortlich zu machen. Zum Beispiel dafür, dass sogar Freizeitangebote von Ferienhöfen aus Sorgen vor Wolfsangriffen eingeschränkt werden müssten. (Wolfsmonitor beobachtet seit Jahren intensiv das Geschehen rund um die Rückkehr der Wölfe. Ein solcher Fall ist der Redaktion jedoch nicht bekannt. Im Gegenteil, wir kennen zahlreiche touristische Einrichtungen, die von den Wölfen profitieren).

Althusmann ergänzte, er sei davon überzeugt, der Wolf gehöre ins Jagdrecht.

Bereits heute war die ziemlich offensichtliche Unterstützung der NOZ für die beiden in Punkto Wolf mit einem ellenlangen Artikel über die vielen, vielen Nutztierrisse zu lesen. Dazu wurde eine aufwändige Erhebung der Redaktion für einige Zahlenspielchen durchgeführt und ein Kommentar beigefügt, mit dem der Verfasser Dirk Fisser offenbar einen angeblichen dialektischen Ausgleich gefunden zu haben glaubt.

3.523 Risse von Nutztieren soll es demnach seit der Rückkehr der Beutegreifer nach Deutschland gegeben haben. Und der angebliche Misserfolgskurs der amtierenden Landesregierung ist dem Verfasser ebenso der ausführlichen Erwähnung wert wie die Sorgen von Jägern und Bauernverband.

Die ausführliche Darstellung der Sorgen des Naturschutzes fehlt allerdings. Ein Zufall?

Sogar aktuelle aber zweifelhafte Übergriffe wie die in Sachsen (…“gleich zwei Schutzzäune überwunden“…) werden unkritisch herangezogen, ohne allerdings den Umstand zu benennen, dass der Nutztierhalter nachweislich und wiederholt die Zäune falsch aufgestellt hat. So lässt sich in der Tat die Anti-Wolfs-Stimmung anheizen.

Nach der Lektüre des Artikels könnte so manch leichtgläubiger Leser tatsächlich denken, die beiden CDU-Politiker könnten mit ihrer Einschätzung irgendwie Recht haben.

Haben sie aber nicht!

Man sollte die Dinge und insbesondere die Zahlen schon einigermaßen realistisch ins Verhältnis setzen. Dann ergibt sich nämlich plötzlich ein ganz anderes Bild. Leider offenbart das neue Bild dann auch die offensichtliche Intention des zugrundeliegenden Artikels.

Für die angeblich 3.523 gerissenen Nutztiere sind Wölfe teilweise noch nicht einmal zu 50 % wirklich verantwortlich. In Niedersachsen – so schreibt die NOZ – sogar nur zu etwas mehr als 47 Prozent.

Rechnen wir also die (realistische) Hälfte, dann liegen wir bei insgesamt 1.762 gerissenen Nutztieren in 17 Jahren, für die Wölfe tatsächlich verantwortlich gemacht werden können. Das sind rein rechnerisch 104 Nutztiere pro Jahr.

Davon waren nachweislich über 90 % nicht angemessen (also mit Herdenschutzmaßnahmen im Sinne der in den Ländern gültigen Richtlinien) geschützt.

Und auch die Wissenschaft bestätigt, dass sich die etwa aktuell 800 Wölfe (davon rund 200 erwachsene Wölfe) in Deutschland im Durchschnitt zu weniger als 1% von Nutztieren ernähren.

Zur Relation: In Deutschland wurden laut Statistischem Bundesamt allein im Jahr 2016 66.040.900 Rinder, Schweine und Schafe geschlachtet. Und ebenso 8.200 Pferde.

Die Mortalitätsrate vieler Nutztierarten (z.B. Kälber) während der Aufzucht in Deutschland liegt darüber hinaus nicht selten bei weit über 10%. Außerdem lagen allein im Jagdjahr 2015/16 1.957.022 Stück Schalenwild auf den deutschen Jagdstrecken. Wie wirken 104 zumeist ungeschützte Nutztieropfer, deren finanzieller Wert den Haltern sogar oft erstattet wird, gegenüber diesen Zahlen?

Ich bin gespannt, ob man in heutiger Zeit mit dem politischen Vorschlag Wahlen gewinnen kann, Tiere (unnötigerweise) töten zu wollen. Es wird sich außerdem zeigen, wie klug es tatsächlich ist, sich dafür ausgerechnet auch noch ein Symboltier des Naturschutzes auszusuchen.

Wir werden sehen. Was allerdings die Medienberichterstattung über die Wölfe betrifft, liebe Leserinnen und Leser, bleiben Sie misstrauisch!

Just my two cents…

Jürgen Vogler


Quelle: Neue Osnabrücker Zeitung (NOZ), www.noz.de, Artikel am 31.8.2017: „Wölfe töteten in Deutschland mehr als 3500 Nutztiere, abgerufen am 31.8.2017, hier der Link!