„Abschuss und die Forderung nach wolfsfreien Zonen helfen niemandem, vor allem nicht den Weidetierhaltern“ – Wolfsmonitor

„Abschuss und die Forderung nach wolfsfreien Zonen helfen niemandem, vor allem nicht den Weidetierhaltern“

Im gestrigen Beitrag hier auf Wolfsmonitor wies ich darauf hin (hier!), dass ich zuletzt keinen hörbaren Widerstand des Naturschutzbundes Deutschland (NABU) vor der und zur Entscheidung des Bundesrates, der „Lex Wolf“ zuzustimmen, vernahm. Die Resonanz darauf ließ nicht lange auf sich warten. Der NABU-Niedersachsen machte mich kurzerhand auf folgende Pressemitteilung aufmerksam (im Wortlaut):

„NABU: Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes – Politik setzt auf Abschüsse statt auf effektiven Herdenschutz und bremst funktionierendes Wolfsmanagement aus“


Hannover – Der Bundesrat hat am 14.02.2020 eine Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes beschlossen. Die Einführung des §45a Absatz 2 BNatSchG erleichtert in bestimmten Fällen den Abschuss von Wölfen. Die Abwendung von „ernsten“ Schäden reicht nunmehr aus, um eine Abschusserlaubnis zu beantragen. Können Nutztierrisse nicht einem bestimmten Wolf zugeordnet werden, können einzelne Mitglieder eines Rudels in einem Gebiet so lange geschossen werden, bis Schäden ausbleiben.

Das Ganze könnte wirksam werden, wenn Umweltminister Lies das neue Gesetz in den Wolfsmanagementplan oder eine Verordnung integriert. In seiner Wortmeldung zur Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes vor dem Bundesrat betont Lies, dass diese Änderung nur ein erster Schritt ist, der aber nicht genügen wird. Er führt in diesem Zusammenhang Frankreich als Vorbild an.

Gerade das Beispiel Frankreich zeigt mit seiner immens hohen Anzahl an Nutztierrissen jedoch sehr deutlich, dass Abschüsse keine Herdenschutzmaßnahmen ersetzen. Die erfolgte Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes ist daher nicht nur europarechtswidrig und suggeriert unrealistische Handlungsoptionen, sondern behindert auch effektives Wolfsmanagement und die Umsetzung von präventiven Herdenschutzmaßnahmen.

Die nun beschlossenen Regelungen widersprechen nach dem jüngst ergangenen Urteil des Europäischen Gerichtshofs in weiten Teilen dem europäischen Natur- und Artenschutzrecht.

Nach Artikel 16 der FFH-Richtlinie herrscht der Zwang zur Individualisierung eines nachgewiesenen schadensverursachenden Wolfes. Verboten sind nicht zielgerichtete Formen von Fang oder Tötung, Ausnahmen können nur konkrete und punktuelle Anwendungen sein. Darüber hinaus ist der günstige Erhaltungszustand oberste Voraussetzung für eine Zulassung von Ausnahmen, dieser ist bei der mitteleuropäischen Flachlandpopulation des Wolfs bei Weitem nicht erreicht.

Skandalös mutet die Ignoranz der Empfehlungen der Ausschüsse für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit sowie für Agrarpolitik und Verbraucherschutz an. Diese weisen deutlich auf den Rechtsbruch hin und schlagen richtigerweise die Einführung einer Weidetierprämie vor.

„Damit“, so NABU-Landesvorsitzender Dr. Holger Buschmann, „wird die Weidetierhaltung angemessen und vor allem auch die Umsetzung von wirksamen Herdenschutzmaßnahmen gefördert.“ Zugleich werde mit der Unterstützung der Weidetierhaltung ein wesentlicher Beitrag zum Natur-, Arten- und Hochwasserschutz geleistet.

„Abschuss und die Forderung nach wolfsfreien Zonen helfen niemandem, vor allem nicht den Weidetierhaltern“, ergänzt der Leiter des NABU-Projekts „Herdenschutz Niedersachsen“ Peter Schütte, „im Gegenteil, die Zerstörung der sozialen Struktur eines Wolfsrudels bringt noch mehr Probleme und Risse und erspart den Tierhaltern nicht die Umsetzung von Herdenschutzmaßnahmen.“

„Mit der Umsetzung dieser Gesetzesänderung wird Minister Lies geschaffene Strukturen im Wolfsmanagement, ebenso wie den dringend notwendigen flächendeckenden Herdenschutz behindern und mit der zu erwartenden Klagewelle weitere Handlungsunfähigkeit beweisen“, so Dr. Buschmann.

Dass Herdenschutz funktioniert, beweisen die Zahlen: in den letzten zwei Jahren stagnieren Übergriffe auf Weidetiere – trotz ansteigender Wolfpopulation. „Dies ist auch guten, fachlich korrekt durchgeführten Herdenschutzmaßnahmen zuzuschreiben“, sagt Peter Schütte und fügt hinzu „es ist auch zukünftig wichtig, rasch flächendeckenden Herdenschutz zu etablieren. Zum einen können Wölfe so gar nicht erst an die mögliche Beute gelangen, zum anderen ist es nach Übergriffen unerlässlich, eine Wiederholung eines Übergriffs zu vermeiden. Hier ist schnelles Handeln gefragt.“

Wolfsabweisende Zäune sind eine sehr gute Möglichkeit, Weidetiere zu schützen. Zusätzlich kann in bestimmten Fällen mit Herdenschutzhunden gearbeitet werden. „Wir empfehlen elektrische Festzäune mit 5 bis 6 Leitern oder Elektronetze. Wichtig sind die Abstände der elektrischen Leiter vom Boden und untereinander. Diese sollen 20 cm betragen. Das Land Niedersachsen fördert die Anschaffung von sogenannten Präventionsmaßnahmen, zusätzlich berät und unterstützt das NABU-Projekt „Herdenschutz Niedersachsen“.

Zum Schluss warnt Dr. Buschmann: „Recht muss auch Recht bleiben – das gilt sowohl für die Einhaltung des europäischen Natur- und Artenschutzrechtes als auch für die rechtlich einwandfreie Beantragung von Ausnahmegenehmigungen zur Wolfsentnahme. Minister Lies gaukelt den Tierhaltern Handlungsfähigkeit vor, die Gefahr besteht, dass dies missverstanden und der Herdenschutz vernachlässigt wird.“

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