„Sehr geehrter Herr Minister Lies,
Im Rahmen meiner ehrenamtlichen Tätigkeit als Wolfsberater leiste ich in meiner Freizeit auch Öffentlichkeitsarbeit. Hierzu zählt die Beantwortung telefonischer Anfragen, aber auch und zu einem nicht unerheblichen Teil das Halten von Vorträgen mit anschließender Frage- und Diskussionsrunde in der Öffentlichkeit (u.a. Landwirtschaftliche Zweigvereine, Berufsbildende Schulen, Kreisvolkshochschulen, Bildungseinrichtungen der Kirchen, Polizei), weiterhin die Beantwortung von Medienanfragen.
Ich frage mich, ob ich zukünftig primär die öffentlichen Äußerungen des zuständigen Ministers zu erklären haben werde, denn, sehr geehrter Herr Minister, ich reibe mir die Augen vor dem, was ich in den letzten zwei Wochen in den Medien lesen musste. Ich schreibe Ihnen, weil ich zutiefst irritiert bin über Ihre Einlassungen zum Umgang mit Wölfen.
„Es geht um den Schutz von Mensch und Natur, den Schutz der Weidetierhalter und um den Schutz der überlebenswichtigen Deiche.“ So zu lesen in der örtlichen Tageszeitung (Ostfriesischer Kurier (Norden), 9.3.2018).
Wie bitte ?
Es geht Ihnen um den Schutz von Mensch und Natur? Nennen Sie mir einen Zwischenfall mit Wölfen in Niedersachsen, aber auch bundesweit, bei denen Menschen ernsthaft zu Schaden gekommen sind. Lassen Sie sich als Ergänzung die Zahl der Opfer von Hunde- und Wildschweinangriffen heraussuchen. Sie werden staunen. Das aber interessiert niemand. Es bringt auch keine Wählerstimmen.
Und was muss ich darunter verstehen, wenn es – in offenbar negativem Sinn – um den „Schutz der Natur“ geht. Es gibt nur eine Interpretation Ihrer Worte: Sie wollen die Natur vor dem Wolf schützen. Herr Minister, bei allem Respekt, ich kann mich nicht erinnern, in Zusammenhang mit dem Wolf einen größeren Blödsinn gelesen zu haben.
Sie fordern eine „Obergrenze für Wölfe“?
Sie sagen: „Wenn feststeht, dass die Population groß genug und der Erhaltungszustand gut ist, dann haben wir auch Möglichkeiten des Wolfs-Managements.“
Herr Minister, wir haben so etwas bereits! Es gibt einen Managementplan für unser Bundesland. Herausgegeben vom Niedersächsischen Umweltministerium. Er heißt Niedersächsisches Wolfskonzept.
Dann lese ich: „Wölfe haben in Dörfern nichts zu suchen.“
„Die Wolfspopulation entwickelt sich viel dynamischer als gedacht.“
Die Bestände werden durch den Straßenverkehr gezehntet, Jährlinge auf Wanderschaft werden von territorialen Wölfen getötet. Ich kann Sie beruhigen: die Wolfspopulation wird nicht ins Astronomische wachsen. Ich interpretiere Ihre Worte dahingehend, dass Sie fest entschlossen sind, so schnell wie möglich das Feuer auf den Wolf freizugeben, denn Sie streben ja bekanntermaßen auch die Übernahme des Wolfs ins Jagdrecht an.
Ich bin gespannt zu hören, wie Sie diese Gesetzesinitiative begründen werden und wie dies in der Öffentlichkeit aufgenommen und kommentiert werden wird.
Herr Minister, der Publizist und Jäger Eckhard Fuhr hat den etwas zugespitzten Satz in einem Artikel der „Welt“ geschrieben: „In Bezug auf die Wölfe hat das postfaktische Zeitalter schon im Mittelalter angefangen.“
Ich hielt das lange für ein wenig übertrieben, habe gehofft, dass mit der Perzeption von Fakten zumindest auf Seiten aufgeschlossener Politiker eine weitgehend sachliche Auseinandersetzung mit den zweifellos vorhandenen Problemen stattfinden kann.
Weit gefehlt. Mittlerweile kann ich Eckhard Fuhr nur zustimmen. Ihre öffentlichen Äußerungen sind der beste Beweis für die Richtigkeit seiner These.
Auf der letzten Fortbildung für Wolfsberater bei der NNA in Schneverdingen forderte Ihr Mitarbeiter Konstantin Knorr uns – wie ich persönlich finde nicht ganz unberechtigt – auf, wir mögen doch bitte die fachlichen Grundlagen, die das Land Niedersachsen vertritt, auch nach außen vertreten.
Meine abschließende Frage: Gilt das nicht auch für den zuständigen Fachminister? Ich werde mich jedenfalls nicht davon abhalten lassen, auch weiterhin Fakten zu vermitteln statt subtile Ängste zu bedienen und Emotionen zu schüren.“
Mit freundlichen Grüßen
Quelle: Offener Brief von Wolfsberater Eberhard Giese, abgerufen am 14.3.2018 von Wildtierschutz Deutschland e.V., hier der Link!