Ein „rasender Reporter“ der Neuen Osnabrücker Zeitung (so steht es in seinem Kurzportrait) zog jetzt im zehnten Jahr ihrer Rückkehr nach Niedersachsen eine Zwischenbilanz über die dortigen Wölfe.
Die entsprechende Überschrift lautet: „Zahl der Risse 2015 verdoppelt – Wölfe töteten seit Rückkehr 400 Nutztiere in Niedersachsen“. (*1)
Erste Wölfe gab es dort schon im Jahr 2007, das macht somit rechnerisch durchschnittliche 40 von Wölfen gerissene Nutztiere pro Jahr in Gesamtniedersachsen!
40 Tiere von – so das Statistische Bundesamt – insgesamt 12,6 Millionen Rindern, 27,7 Millionen Schweinen und 1,6 Millionen Schafen in Deutschland.
Für Niedersachsen etwas präziser: 40 zumeist vor Wölfen unzureichend geschützte Nutztiere von ungefähr 2,7 Millionen Rinder und Mutterkühe, 230.000 Schafe und etwa 190.000 Pferde.
Grundsätzlich gilt, das weiß man schon länger: Nutztiere machen insgesamt weniger als 1% der gesamten Wolfsnahrung aus.
Warum jedoch verlieren einige Journalisten diese Relation gerne einmal aus den Augen? Um die Zahlen politisch zu instrumentalisieren?
Nein, das machen schon andere und über die kann man dann tatsächlich berichten. Die „Weidetierhalter rechnen für 2016 mit dem schlimmsten“…schreibt zum Beispiel der NOZ-Redakteur in seiner Bilanz.
Dafür mag es tatsächlich vielerlei Gründe geben, den Milchpreis zum Beispiel, oder den Schweinepreis. Die nach wie vor uneinsichtig einseitige Politik einschlägiger Landwirtschaftsverbände oder aber auch die Reaktionen einiger in Verantwortung stehender Landwirtschaftsminister darauf.
Mit dem Schlimmsten müssen jedoch vor allem die rechnen, die sich weiterhin den Realitäten verweigern und ihre Tiere – trotz staatlicher Hilfen – ungeschützt vor Wölfen weiden lassen.
Dabei nicht ganz unschuldig: Zeitungsartikel, mit denen die Hoffnung genährt wird, dass bald schon durch vereinfachte Abschussregeln mit der lang ersehnten „Kontrolle“ der Wölfe begonnen werden könne. Mit Sätzen wie „unter verschärfter Beobachtung steht auch die sogenannte Goldenstedter Wölfin“, wird dem Leser ernstlich suggeriert, dass es tatsächlich eine solche Option für diese Wölfin gäbe.
Das wäre mir allerdings neu. Minister Wenzel betonte anlässlich der Pressekonferenz zur „Entnahme Kurtis“ sogar, dass die Dinge in Goldenstedt völlig anders lägen, was auch stimmt.
Schon seit längerem gehören auch die Aktivisten der „WNON“ (Weidetierhalter Nordost-Niedersachsen) zu denen, die sich eklatant gegen den Wolf aussprechen. In ihm sehen sie „das Problem“, dessen Lösung eigentlich „auf der Hand“ liegt.
Auch der im Artikel genannte Jochen Rehse gehört dieser lokalen und daher vergleichsweise unbekannten Interessensgemeinschaft an.
Ihn nun als Repräsentant der Weidetierhalter herzunehmen, dürfte nach außen in etwa so wirken, als wählte man den Vorsitzenden des Fußballklubs „Rot-Weiß Wacker-Bismarck“ als Sprecher eines Bundesligavereins aus. Wäre da nicht noch Rehses andere Funktion als Chef des Landesschafzuchtverbandes Niedersachsen.
Dass man dennoch sogar als Schäfer anderer Meinung als Rhese sein kann, beweist der Schafzuchtverband Berlin-Brandenburg e.V., der ebenfalls seit über 10 Jahren Erfahrungen mit Wölfen aufweisen kann.
Von dessen Vorsitzenden, dem Schäfermeister Knut Kucznik, könnte selbst WNON-Aktivist Rhese noch eine Menge lernen! Vor allem, dass … „man die Hand gewöhnlich nicht beißt, die einen füttert“.
Einige „Best Practices“ in den anderen Bundesländern könnten den Wolfsfreunden in Niedersachsen durchaus Anlass zur Hoffnung geben. Einerseits, weil der Blick über den Tellerrand aufzeigt, wie ein recht unkompliziertes Zusammenleben zwischen Weidetierhaltern und Wölfen durchaus möglich sein kann und andererseits, weil genau dieser Blick beweist, dass in Niedersachsen in letzter Zeit so einige Verhältnismäßigkeiten hinsichtlich der großen Beutegreifer ins Ungleichgewicht geraten sind.
Nicht nur der Ruf der Wölfe leidet darunter!
Herzlichst
Ihr
Jürgen Vogler
(Quelle: (*1) Neue Osnabrücker Zeitung, www.noz.de, Artikel von Dirk Fisser am 03.06.2016: „Zahl der Risse 2015 verdoppelt – Wölfe töteten seit Rückkehr 400 Nutztiere in Niedersachsen“, abgerufen am 04.06.2016, hier der Link!)