Einfach mal „die Kirche im Dorf lassen“! – Wolfsmonitor

Einfach mal „die Kirche im Dorf lassen“!

Der jüngste sogenannte „Nährstoffbericht für Niedersachsen“ enthält beeindruckende Zahlen: Rund 10,7 Millionen Schweine, etwa 2,6 Millionen Rinder und über 100 Millionen Stück Geflügel in Niedersachsen hinterlassen 39 Millionen Tonnen Gülle und fast neun Millionen Tonnen Festmist im Jahr.

Das „Gülle- und Festmistgewicht“ dieser Nutztiere ist bildlich gesprochen höher als das Gesamtgewicht aller EU-Bürger zusammen. Allein in Niedersachsen! Schafe tauchen in dieser Statistik nicht einmal auf! (*1)

Genauso beeindruckend finde ich es, wenn Vertreter einschlägiger Interessensgruppen immer mal wieder eine „Grundsatzdiskussion“ über unsere Wölfe anleiern wollen.

So wie zum Beispiel kürzlich der Celler Kreisjägermeister Hans Knoop, der irgendwoher zu wissen scheint, dass die Region Celle „drei oder maximal vier Wolfsrudel verträgt“. So wie es derzeit laufe, werde seiner Ansicht nach jedoch die „Weidehaltung verschwinden und Grünland nur noch dazu genutzt, Futter für Stalltiere oder für Biogasanlagen zu produzieren“. (*2)

Der Tourismus in der Region werde – wie es aussieht  – einen Dämpfer bekommen, meint Knoop noch und überhaut, im vergangenen Jahr seien bereits über 200 Nutztiere in Niedersachsen von Wölfen gerissen worden.

Eine scheinbare Katastrophe bei allein über 13 Millionen Schweinen und Rinder im Land! Diese vorgeschobene Aufregung einzelner Interessensvertreter wirkt auf mich manchmal etwas weltfremd, nämlich dann, wenn man sich vor Augen führt, dass die Schäden, die durch die Wölfe entstehen sogar noch durch Vater Staat ersetzt werden.

Noch zwei Jahre zuvor betonte Knoop in der Presse sehr deutlich, „dass er kein Gegner des Wolfes ist“, aber… (*3)

„Nun lass mal die Kirche im Dorf“, möchte man Knoop zurufen. Auf dem Lande gibt es tatsächlich wesentlich ernstere Probleme als die Wölfe. Zum Beispiel die Grundwasser und damit die Menschen gefährdende Gülle dieser vielen Millionen Nutztiere…

Das Verschwinden der Weidetierhaltung aufgrund der Wölfe wurde kürzlich bereits anderswo prognostiziert. Kein geringerer als der Präsident der Landesjägerschaft Niedersachsen, Helmut Dammann- Tamke, ließ sich vor wenigen Tagen zu einer ähnlichen Äußerung hinreißen. (*4)

Aber mal ehrlich: Selbst dort in Deutschland, wo Wölfe (noch) nicht heimisch sind, ist der Trend zur industrialisierten Intensivtierhaltung ungebrochen und genau das dürfte die Ursache des Verschwindens der Weidetierhaltung sein.

Diese Entwicklung nun auch noch den Wölfen in die Schuhe zu schieben, empfinde ich als „billigste“ Polemik! Gibt es etwa in Sachsen, wo Wölfe schon seit über 15 Jahren leben, keine Weidetierhaltung mehr? Bingo!

Apropos Haltung: Mit der Mentalität, erstens immer wieder Grundsatzdiskussionen von neuem anstoßen zu wollen und zweitens darüber hinaus zu vergessen, dass auch der deutsche Jagdverband eine anerkannte Naturschutzorganisation ist, wirkt es drittens, als sei man als Zuschauer spätestens dann im falschen Film, wenn ein Jägerpräsident – wie kürzlich beim NDR – behauptet, man sehe sich beim Wolf  – sobald es Probleme gibt – nicht zuständig.

Was den immerfort öffentlich erklärten Willen zur erneuten Grundsatzdiskussion über den Wolf betrifft, kann ich mich außerdem des leisen Verdachts nicht erwehren, dass einige Nutztierhalter in Niedersachsen nur aus diesem Grund – nämlich genau dieser Phantomdiskussion – damit abwarten, die eigenen Tiere ausreichend zu schützen. In Goldenstedt zum Beispiel fielen in über 90% der Übergriffe nicht ausreichend geschützte Tiere einem Wolf (aber auch anderen Beutegreifern) zum Opfer.

Ich stelle mir deshalb manchmal die Frage, ob einige Protagonisten durch ihre ständige Polemik nicht eine gewisse  – zumindest ideelle –  Mitverantwortung an dieser Behäbigkeit der Nutztierhalter tragen.

Verantwortung zumindest sieht anders aus! Ein englisches Sprichwort gibt folgenden Rat: „don`t fight the scenery, fight the problem“.

Das Problem – so scheint es – sind nicht allein die Wölfe…

Herzlichst

Ihr

Jürgen Vogler

Quellen:

(*1) Landwirtschaftskammer Niedersachsen, www.lwk-niedersachsen.de, abgerufen am 24.02.2016, hier der Link!

(*2) Cellesche Zeitung vom 22.02.2016, www.cellesche-zeitung.de, Artikel: „Deutlich mehr Wolfsrisse im vergangenen Jahr in Niedersachsen“, abgerufen am 24.02.2016, hier der Link!

(*3) Cellesche Zeitung vom 04.02.2014, www.cellesche-zeitung.de, Artikel: „Weiter Diskussionen um den Wolf!, abgerufen am 24.02.2016, hier der Link!

(*4) Die Harke, www.dieharke.de vom 20.02.2016, Artikel: „Den Weidetierhaltern verpflichtet“, abgerufen am 24.02.2016, hier der Link!