Die Zahl 1000 im Blick – das Wachstum der Wolfspopulation! – Wolfsmonitor

Die Zahl 1000 im Blick – das Wachstum der Wolfspopulation!

Immer häufiger wird – wie zuletzt in einer Online-Petition – die Frage gestellt, bis auf welche Zahl die Wolfspopulation in Deutschland anwachsen soll. Die Antworten, die verschiedene Internetquellen hierzu anbieten, stiften leicht Verwirrung. Deshalb schaut Wolfsmonitor einmal genauer hin.


Der sogenannte „günstige Erhaltungszustand“ einer Art, wie er von der EU-Kommission unter anderem auch für den Wolf als gefährdete Art gefordert wird, ist erreicht, wenn die Art oder ihr Lebensraum im Bestand und auch in der Ausdehnung ungefährdet ist und auch bleiben wird. Dazu werden für jede gefährdete Art die einzelnen Faktoren „Verbreitungsgebiet“, „Population“, „Lebensraum“ und „Zukunftsaussichten“ in regelmäßigen Abständen bewertet.
Für Wölfe der „Zentraleuropäischen Tieflandpopulation“, der die „deutschen Wölfe“ zuzurechnen sind, wird eine Zahl von 1.000 geschlechtsreifen Tieren angegeben, damit der geforderte günstige Erhaltungszustand erreicht ist.


Die Zahl 1.000 wurde einst von der Weltnaturschutzorganisation IUCN (International Union for Conservation of Nature) auf der Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse festgelegt. Einige Fachleute meinen jedoch, die heimischen Wölfe seien der baltischen Population zuzurechnen und die befinde sich bereits in jenem günstigen Erhaltungszustand. Das ist mit Blick auf die Populationshistorie nicht so ganz falsch, die heutige deutsch-polnische Wolfspopulation lässt sich jedoch genetisch eindeutig davon trennen, so dass es beim Schutzziel von 1.000 erwachsenen Tieren der zentraleuropäischen Population bleibt.. Diese Einschätzung wird auch durch eine kürzlich abgegebene Stellungnahme der Leiterin der Abteilung Naturschutz und Nachhaltige Naturnutzung im Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit gestützt. Darin heißt es: „…Die ZEP (Zentraleuropäische Tieflandpopulation) ist eine eigenständige Population, die auch geografisch durch einen breiten, nahezu wolfsfreien Korridor in Polen von der baltischen Population getrennt ist.“

1.000 erwachsene Wölfe sind also das Schutzziel für die „isolierten“ Exemplare der zentraleuropäischen Tieflandpopulation. Wären diese Wölfe allerdings mit einer anderen, zum Beispiel der baltischen Wolfspopulation nachhaltig vernetzt, würde schon ein Bestand von mehr als 250 erwachsenen Tieren ausreichen, um als „nicht gefährdet“ zu gelten.


Wie wird überhaupt gezählt?
Heute geht man von ungefähr je 30 Rudeln der zentraleuropäischen Tieflandpopulation in Deutschland und in Polen, also von 60 Rudeln in der Summe aus. Im Durchschnitt besteht ein Rudel aus 8 Tieren (2 Erwachsene, 1 Ein- oder Zweijähriger und 5 Welpen). Zusammengerechnet ergibt das rund 480 Wölfe beiderseits der deutsch-polnischen Grenze. Zu den Rudeln addiert man kalkulatorische 10% erwachsene Einzelwölfe und Wolfspaare, so dass die Gesamtpopulation zurzeit insgesamt rund 530 Wölfe aller Altersklassen umfassen dürfte. Rund 170 Wölfe davon sind erwachsen.
Forscher gehen davon aus, dass sich die Wolfspopulation im Schnitt um rund 30% in jedem Jahr vergrößert. Man kann also den „Reproduktionsfaktor“ 1,3 ansetzen, wenn man darüber spekulieren möchte, wie viele Wölfe künftig vorhanden sein werden. Wenn es denn so einfach wäre – denn das alles ist „graue Theorie“ – würde das bedeuten, dass schon Ende diesen Jahres 39 Rudel und im Jahr 2017 bereits 65 Rudel in Deutschland gezählt werden würden, usw.


Felix Knauer von der Universität Freiburg erarbeitete im Jahr 2009 im Rahmen einer Studie für das Bundesamt für Naturschutz (BfN) anhand eines polnischen Berechnungsmodells, dass 441 Wolfsrudel einen geeigneten Lebensraum in Deutschland finden könnten. Er ging dabei von einer durchschnittlichen Reviergröße von 200 Quadratkilometer (20.000 Hektar) je Rudel aus. Demnach ist allein in Deutschland ausreichend Lebensraum vorhanden, um fast den gesamten günstigen Erhaltungszustand von 1.000 geschlechtsreifen Tieren zu beheimaten. Rein rechnerisch zumindest. Vergrößert man in der Berechnungsformel die Reviergröße, vermindert sich entsprechend die Rudelanzahl und umgekehrt.
Rechnet man nun aus der Zahl 441 wiederum 10% Wolfspaare und Einzelwölfe heraus, die ebenfalls geeignete Territorien besetzen, so verbleiben theoretisch 397 geeignete Reviere für die Rudel. In der Summe sind das dann 3.176 Einzelwölfe aller Altersklassen. 397 Rudel je 2 erwachsene Tiere ergeben 794 erwachsene Wölfe, addiert man 10% Paare und Einzeltiere hinzu, ergibt sich eine Gesamtzahl von insgesamt 873 Wölfen, also fast den Umfang des gesamten günstigen Erhaltungszustandes allein in Deutschland. Zumindest rein theoretisch.


Es gibt aber auch eine andere, etwas einfachere Betrachtungsweise. Die besagt, dass 1.000 erwachsene Tiere sich aus 333 Rudeln mit 2 erwachsenen Tieren, also 666 Erwachsene an der Zahl, und einem Rest , der ungefähr 1/3 ausmacht,  territorialer Einzelwölfe und Paare zusammensetzen können. Verteilt auf die beiden Länder Deutschland und Polen hieße das, dass der günstige Erhaltungszustand bereits mit 166 Rudeln in Deutschland und der gleichen Anzahl Rudeln in Polen erreicht wäre. 166 Rudel mit 8 Tieren bedeuten rechnerische 1.328 Wölfe, hinzugezählte 10% Paare und Einzelwölfe ergeben 1.460 Tiere in Deutschland.


Das sind Zahlen, die eine einfache Internetrecherche hervorbringen und zugegeben, das alles ist reine Spekulation. Wenig beachtet wird zurzeit allerdings der Umstand, dass sowohl die Welpen als auch die ein- und zweijährigen Wölfe selbst irgendwann einmal erwachsen werden, soweit sie nicht einer Krankheit oder dem Verkehr zum Opfer fallen.
Nehmen wir also abschließend einmal rein theoretisch an, dass jeder Wolf, der überlebt – nichts anderes besagt der „Reproduktionsfaktor“ von 1,3 – irgendwann einmal erwachsen wird. Nun dürfte der günstige Erhaltungszustand – geht man heute von 300 hier lebenden Wölfen aus – bereits im Jahr 2020 mit über 1000 Tieren erreicht werden. Bezieht man auch den polnischen Anteil der Population in die Betrachtung ein, dürfte dies sogar bereits im Jahr 2017 der Fall sein.

Man darf also gespannt sein, welche Berechnungsmethode die Verantwortlichen in ihrer Betrachtung anwenden werden.
Habe ich Sie nun vollständig verwirrt? Meine Absicht war es, Ihnen aufzuzeigen, dass es bezüglich des Schutzziels der heimischen Wölfe verschiedene Betrachtungsweisen gibt.


Und was passiert, wenn der günstige Erhaltungszustand erreicht ist? Wird dann die Jagd auf den Wolf eröffnet? Dafür gibt es heute keinerlei Hinweise, auch, wenn einige genau dies fordern. Ich denke, dass es zurzeit gesellschaftlich nicht durchsetzbar ist, den Wolf zu bejagen. Außerdem ist es – glaubt man einer anderen Theorie, die ich zu einem späteren Zeitpunkt vorstellen werde – vielleicht auch gar nicht nötig, da unter gewissen Umständen bestimmte Mechanismen den Anstieg der Wolfszahlen selbstständig bremsen.

Herzlichst
Ihr
Jürgen Vogler