Gastautor Dr. Wolf Kribben: „FDP-Forderung zu Wölfen in NRW inakzeptabel!“ – Wolfsmonitor

Gastautor Dr. Wolf Kribben: „FDP-Forderung zu Wölfen in NRW inakzeptabel!“

Fast schon mit Entsetzen habe ich den Antrag der nordrhein-westfälischen FDP und die Begründung des FDP-Abgeordneten Henning Höne auf dessen Homepage gelesen, die sich beide um die Beschränkung des Verbreitungsgebietes des Wolfes drehen.

Höne schrieb dazu: „Niemand, der sich mit der Jagdausbildung beschäftigt hat, wird bestreiten können, dass Jäger Fachleute sind.“

Bei diesem Statement gehe ich nicht mit!

Solange der Jagdschein in einem dreiwöchigen Crashkurs erworben werden kann (einschlägige Angebote findet man im Web), bestreite ich, dass Hobby-Jäger Fachleute sind. Das vermittelte, biologische Wissen (ich habe Einsicht in den Prüfungsfragenkatalog genommen) liegt auf sehr niedrigem Niveau. Nicht umsonst absolviert ein Berufsjäger eine dreijährige Ausbildung plus eventuell weitere drei Jahre, um den Meister zu machen.

Wie viel Zeit der Hobby-Jäger-Ausbildung wird dem Wolf gewidmet? Eine viertel Stunde vielleicht? Und da bin ich großzügig, denn von einem Insider erhielt ich in einer Diskussion die Information, das Thema sei „in 10 Minuten abgehakt“.

Was im Rahmen einer Hobbyjäger-Ausbildung über den Wolf vermittelt werden kann, kratzt nicht einmal an der Oberfläche seiner Biologie, seines Verhalten, seiner hochkomplizierten Wechselwirkungen mit seinem Umfeld bis hin zu Veränderungen der Topographie (trophische Kaskade).

Ich selbst befasse mich jetzt seit mehr als 10 Jahren mit Fachliteratur, Forschungsberichten, Dokumentationen sowie Video- und Bildmaterial über Wölfe und käme nicht im Ernst auf die Idee, mich als Wolfsexperten zu bezeichnen. Dies ist Feldforschern vorbehalten, die abertausende Beobachtungsstunden an wilden Rudeln vorweisen können, das Team um Günther Bloch beispielsweise sogar über 30.000 Stunden.

Vor dem Hintergrund stört es mich gewaltig, wie viele Wolfs-„Experten“ auf einmal an die Öffentlichkeit drängen, die aber oft genug kaum Wissen über diese Tiere haben.

So ist, nein war der kürzlich geschossene „Kurti“/MT6 ein junger Wolf des A-Typs im besten Schnöselalter, der hinsichtlich seines Verhaltens keinerlei Auffälligkeiten zeigte.

Der Abschuß war völlig sinnlos, bediente meiner Meinung nach nur Befindlichkeiten und hat hoffentlich ein juristisches Nachspiel. Tatsächlich wurde MT6 teilweise von „Handy-Filmern“ regelrecht gestalkt, was eigentlich justiziabel ist, weil der Wolf eine besonders streng geschützte Art ist, bei der auch bereits das „Nachstellen“ verboten ist.

Letztlich erweist sich der Abschuß von MT6 sogar als tragisch. Es besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass er mit seiner Schwester FT10 ein Paar bildete (Geschwisterverpaarungen sind selten, kommen aber vor; das Bergener Rudel ist meines Wissens ebenfalls ein Geschwisterpaar), da man sie in der Ranzzeit zusammen sah.

FT10 kam ebenfalls ums Leben und die Obduktion ergab, dass sie Welpen geboren hatte. Weil ihr vermutlicher Ernährer und Unterstützer getötet wurde, mußte sie nun hohe Jagdrisiken eingehen, um ihre Kleinen zu versorgen, und von einem dieser Jagdausflüge kehrte sie nicht mehr zurück: Ihre Welpen verhungerten und verdursteten qualvoll.

Ein leichtfertig (es lagen keine harten Beweise für Verhaltensanomalien vor) und ohne Sachkenntnis angeordneter Abschuss eines Wolfes tötete somit vermutlich eine komplette Wolfsfamilie.

Nun zum Antrag der FDP in Nordrhein-Westfalen. Dort heißt es, ich zitiere:

„Im Hinblick auf die aktuelle Rechtslage, aber auch in Anbetracht der erwarteten Bestandsentwicklung, ermöglicht die Aufnahme des Wolfes in das Jagdrecht eine flexiblere Gestaltung des Wolfsmanagements, etwa mit der Definition von besonderen Verbreitungsgebieten für den Wolf.


Ein Verbreitungsgebietsmanagement gemäß § 22 Abs. 12 Satz 2 LJG-NRW wird seit Jahrzehnten beim Rot- und Damwild in NRW erfolgreich umgesetzt. Ähnlich wie beim Rotwild, wo es seit Jahrzehnten gelebte Praxis ist, wird auch beim Wolf die Notwendigkeit, die Population zu kontrollieren, dringlicher werden.


Die frühzeitige Aufnahme des Wolfes in das Jagdrecht wäre ein klares Signal dafür, dass der Wolf ein Bestandteil unserer Artenvielfalt ist. Ab dem Moment, wo der Erhaltungszustand seiner Gesamtpopulation gesichert ist, muss er aber wie jedes andere Wildtier auch in seinem Lebensraum und seiner Populationsdichte und -größe begrenzt werden können. Mit dem Jagdrecht bestünde eine bewährte Möglichkeit, den Wolf von menschlichen Siedlungen sowie von Gebieten mit großen, freilebenden Nutztierbeständen durch Bejagung fernzuhalten.

Alleine schon die Idee, Verbreitungsgebiete für Wölfe festlegen zu wollen, zeugt von eklatanter Unkenntnis des Wolfsverhaltens. Wölfe sind Weitwanderer. Schon ihr Revier ist hierzulande üblicherweise um die 250-350 km² groß (die tägliche Laufstrecke beträgt bis zu 40 Kilometer) und dispergierende Jungwölfe legen gegebenenfalls viele hundert Kilometer zurück, um einen Partner und ein eigenes Revier zu finden.

Will die FDP alle diese Wölfe abschießen lassen? Denn darauf liefe es hinaus, weil es überall menschliche Siedlungen und große, freilebende Nutztierbestände auf den Wegen der Wölfe gibt: Was hier indirekt gefordert wird, ist nichts anderes als die Wiederausrottung des Wolfes in unserem Land!

Und so nebenbei, wenn man bei einer solchen „Beschränkung des Verbreitungsgebietes“ der Wölfe durch Abschuss eines oder gar beider Leittiere, die Laien (und dazu zähle ich auch den größten Teil der Jägerschaft) kaum von älteren Jungtieren unterscheiden können, die Sozialstruktur zerschießt, dann bewirkt das letztlich verstärkte Übergriffe auf Nutztiere (insbesondere Ziegen und Schafe), weil das überlebende Leittier sich auf einfache Beute konzentrieren muss oder gar bereits die Jährlinge verzweifelt versuchen, ihre jüngeren Geschwister durchzubringen (der Zusammenhalt in einer Wolfsfamilie ist groß, die Welpen sind der Mittelpunkt, um den sich gewöhnlich alles dreht).

Die Jungtiere werden sich erst recht an schlecht geschützte Schafe oder Ziegen halten, weil die auch für den ungeübtesten Wolf keinerlei Herausforderung darstellen. Die Folge werden weitere Forderungen nach Abschüssen von Wölfen sein.

Wölfe sind kein Rotwild, das man in bestimmten Zonen konzentrieren kann! Die Tagesstrecke eines Wolfes kann im Extremfall bis zu 160 km (100 Meilen) betragen. Tagesstrecken von 70 bis 80 Kilometer sind nicht ungewöhnlich, besonders für dispergierende Wölfe..

Ich kann hier gar nicht alles aufführen, was ich aus der Jägerschaft schon alles an wirklich groteskem Unsinn über Wölfe gelesen habe. Es reicht von Phantasiezahlen, wie viel Wild pro Tag von Wölfen gefressen wird (ja, ja, der Wilderlös), bis hin zum regelrechten Panikschüren vor diesen Tieren in der Öffentlichkeit. Cui bono?

Tatsache ist und bleibt, dass weder ein Urlaub am Yellowstone noch ein Jagdschein dazu ausreichen, zum Experten für Wolfsverhalten zu werden.

Dazu gehört mehr, viel mehr, nämlich die Bereitschaft, sich über viele Jahre schwerpunktmäßig mit diesem Tier, seiner Biologie und seinem Verhalten ernsthaft auseinanderzusetzen.

Bevor man Entscheidungen trifft oder politische Anträge stellt, die ein stark geschütztes Tier betreffen, fragt man üblicherweise wirkliche Experten, die umfangreiche Feldforschungserfahrung haben.

Und ich konstatiere ganz klar: Wenn solche Forderungen wie oben zitiert von der FDP oder jeder beliebigen anderen Partei geäußert werden, wird sie für mich persönlich unwählbar, denn das Opfern von Teilen unseres Wolfsbestandes zugunsten wirtschaftlicher und jagdlicher Interessen ist nicht akzeptabel, wobei ohnehin europäisches Recht dagegensteht.

Dr. Wolf Kribben

(Zur Person: Dr. Wolf Kribben lebt in der Eifel, ist Spezialist für Hunde- und Waldphotographie und befaßt sich mit der Wildbiologie, der Ethologie und dem ökologischen Einfluß des Wolfs und der vergleichenden Verhaltensforschung von Wolf und Hund.)